neues deutschland: S 21: Lokführer mit Verstand

Man könnte für 6,5 Milliarden Euro
Eisenbahnstrecken elektrifizieren, verkommende Bahnhöfe auf
Vordermann bringen, den Regionalverkehr modernisieren. Aber der
Aufsichtsrat der Bahn will lieber einen unterirdischen Bahnhof bauen.
Rational ist kaum nachzuvollziehen, dass ein Projekt vorangetrieben
wird, dessen Kosten jetzt schon aus dem Ruder laufen und dessen
Kostenentwicklung in den kommenden Jahren in den Sternen steht. Dass
18 von 20 Aufsichtsräten dennoch für den Weiterbau des
Milliardenprojekts stimmen, ist bemerkenswert. Dass auch die meisten
Arbeitnehmervertreter ihr Händchen dafür gehoben habe, erstaunt nicht
wirklich. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG hat sich in der
Vergangenheit eher selten durch Widerstand gegen ihre Chefs hervor
getan. Und Betriebsräte bei der Bahn sehen sich eher dem
Co-Management und weniger der Vertretung von Belegschaftsinteressen
verpflichtet. Da ist die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) von anderem
Kaliber. Sie hat sich gegründet, weil ihr die EVG zu zahm war und
zeigt in Tarifauseinandersetzungen seit einigen Jahren beeindruckende
Durchsetzungskraft. Und sie fordert den Ausstieg aus dem Projekt.
Klar, mit nur einem Vertreter im Aufsichtsrat kann auch die GdL
dessen Entscheidungen nicht ändern, aber immerhin: Bei der
Entscheidung zu Stuttgart 21 hat sie den gesunden Menschenverstand
walten lassen.

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