Mittelbayerische Zeitung: Politik gegen den Rest der Welt /Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung, Regensburg

Sechs der G7-Finanzminister gingen mit den
US-Strafzöllen hart ins Gericht. Beim Gipfeltreffen ab Freitag geht
es auch um die Zukunft internationaler Gremien, um die freie
Weltordnung.

Es klang wie eine Mahnung, eindringlich, aber zugleich mit einem
Schuss Skepsis darin. Vor fast genau einem Jahr forderte Angela
Merkel im Festzelt von Trudering, Europa müsse sein Schicksal selbst
in die Hand nehmen. Die Zeiten, in denen sich die Europäer auf andere
verlassen könnten, seien „ein Stück vorbei“. Die Prophezeiung der
Kanzlerin hat sich einerseits erfüllt, andererseits leider auch
nicht. Verlassen können sich die Europäer aus der noch 28 Staaten
umfassenden Union auf den – immer noch – wichtigsten
transatlantischen Bündnispartner USA kaum noch. Mit seiner zackigen
Unterschrift ist Donald Trump nicht nur aus dem mühsam ausgehandelten
Atomvertrag mit dem Iran ausgestiegen, sondern er legt ebenfalls die
Axt an internationale Regeln, stellt die Wirksamkeit multilateraler
Gremien und Gesprächsformate infrage. Die letzte Woche verhängten
Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte in die USA sind insofern
nur ein weiterer Schritt von Trumps Abschottungs- und
Wir-machen-Amerika-wieder-groß-Politik. Die Zeiten einer
berechenbaren, auf grundlegend gleichen Werten basierenden Politik
zwischen den Staaten der „westlichen“ Welt scheinen vorbei. Zumindest
mit dieser US-Administration und mit diesem Präsidenten. Betrachtet
man die letzten wichtigen Entscheidungen Washingtons, dann drängt
sich der Eindruck auf, die USA machten Politik gegen den Rest der
Welt. Das Treffen der G7-Finanzminster Ende letzter Woche im
kanadischen Whistler gab bereits einen Vorgeschmack darauf, was das
Spitzentreffen der Staats- und Regierungschefs dieser sieben großen
Wirtschaftsnationen ab Freitag bringen könnte. In Kanada hieß es
bereits: sechs zu eins. Geschlossen haben sechs der G7-Finanzminister
gegen die US-Strafzölle protestiert und Gegenmaßnahmen angekündigt.
Kanada und die EU haben bei der Welthandelsorganisation WTO Klage
gegen den harschen Schritt Washingtons eingelegt und ihrerseits
„Vergeltungs“-Strafzölle angekündigt. Ähnlich die Reaktion aus
Peking. Man ist sich außerhalb der USA, trotz vieler
unterschiedlicher Interessen, einig, mit Härte auf Trumps schädlichen
und offenbar auch rechtswidrigen Protektionismus zu reagieren. Beim
folgenden G20-Gipfel in Argentinien könnte das Verhältnis 18:2
lauten. An der Seite der USA könnte dann nur Saudi Arabien stehen.
Mit Riad hatte Trump vor kurzem Waffengeschäfte über einhundert
Milliarden Dollar abgeschlossen. Beim Gipfeltreffen geht es auch um
die Zukunft internationaler Gremien, wie etwa der WTO. Es geht damit
zugleich um die freie Weltordnung, um die Verbindlichkeit
internationaler Verträge und internationalen Rechts generell. Bislang
waren Gesprächsformate wie G7 und G20 eine gute Möglichkeit, bei der
Staatenlenker ins Gespräch kommen konnten. Ob diese Formate weiterhin
sinnvoll sind, wenn ein wichtiger Akteur ausschert, ist offen. Was
die Herausforderung für Europa, zumal für Deutschland, so groß macht,
sind nicht nur Trumps berechenbare Unberechenbarkeit und
kompromisslose „America-first-Politik“, sondern auch die vielstimmige
Lähmung diesseits des Atlantiks. In der Ablehnung über Trumps Politik
ist man sich weitgehend einig. Doch Europas Konzept für den Ausbau
des freien Welthandels sucht man vergebens. Wenn die USA partout
Handelsschranken errichten wollen, warum versuchen dann die Europäer
nicht, mit anderen Partnern – von China, Kanada, Mexiko bis Südafrika
und Brasilien – Zölle und andere Barrieren abzubauen? Der Hardliner
Trump kann nur zu einer Änderung seiner kurzsichtigen Politik bewegt
werden, wenn es schlagende Argumente dagegen gibt, wenn sich
Liberalisierung rechnet.

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