Verfassungsrechtler Bertrams: Land auf dem Weg in den
Überwachungsstaat SPD und Grüne erwägen Verfassungsklage Vor
Landtags-Anhörung am 7. Juni verteidigt Innenminister Reul (CDU) die
Novelle
Köln. Das geplante neue Polizeigesetz der nordrhein-westfälischen
Landesregierung stößt auf massive verfassungsrechtliche Bedenken. „In
seiner jetzigen Fassung unterhöhlt der Entwurf den Rechtsstaat und
führt unser Land auf den Weg in den Überwachungsstaat“, schreibt der
frühere Präsident des NRW-Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams,
im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montag-Ausgabe). Am Donnerstag findet
im Düsseldorfer Landtag eine Expertenanhörung zu dem Gesetz statt,
das die Befugnisse der Polizei in der Verbrechensbekämpfung und
Gefahrenabwehr erheblich erweitern würde. „Dreh und Angelpunkt“
seiner Bedenken, so Bertrams, sei die „Neuschöpfung“ einer „drohenden
Gefahr“. Dieses Rechtskonstrukt „verändert das geltende Polizeirecht
im Kern und senkt die Schwelle für eine polizeiliches Eingreifen
erheblich“. Dagegen zeigte sich Innenminister Herbert Reul (CDU) von
der Rechtmäßigkeit der Novelle überzeugt. „Wir haben uns eng an die
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gehalten“, sagte Reul dem
„Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Richter hätten bei ihrer Entscheidung
berücksichtigt, dass Anschläge oftmals von Einzeltätern verübt
werden, die zuvor noch nicht straffällig geworden sind. „Deshalb
müssen wir den Moment, ab dem die Polizei einschreiten darf, zeitlich
nach vorne verlagern. Denn wenn die Bombe explodiert ist, ist es zu
spät“, so Reul. Daher habe die NRW-Landesregierung beim „Update“ des
Polizeigesetzes den Gefahrenbegriff um die „drohende Gefahr“ und die
„drohende terroristische Gefahr“ erweitert. Klar jedoch sei, dass die
Polizei nicht nach Gutdünken handeln könne, sondern immer ein Richter
die Maßnahmen anordnen muss, so Reul: „Mit dem neuen Polizeigesetz
kommen wir als wehrhafter Rechtsstaat wieder vor die Lage.“ SPD und
Grüne behalten sich eine Klage gegen das Gesetz vor dem
Landesverfassungsgesetz in Münster vor. Der innenpolitische Sprecher
der SPD-Fraktion, Hartmut Ganzke, warf der schwarz-gelben Koalition
vor, sie unterscheide nicht zwischen terroristischen Gefährdern und
rechtstreuen Bürgern. „Aus Angst vor dem Terror werden
Freiheitsrechte eingeschränkt – ein vollkommen falscher Weg“, so
Ganzke. In der vorliegenden Form sei das Gesetz nicht
verfassungskonform. Verena Schäffer, Innenexpertin der Grünen,
vermisst „jegliche Balance von Sicherheit und Freiheit“. Zudem sei
das Gesetz überwiegend von Symbolpolitik geprägt. Eine Fußfessel
etwa oder die Ausweitung der Videobeobachtung könnten Terror nicht
verhindern.
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