neues deutschland: Religionswissenschaftler: „Diese Kirche ist am Ende“

Der Religionswissenschaftler Hubertus Mynarek
glaubt nicht, dass der wahre Grund für den Rücktritt von Papst
Benedikt XVI. ein Sexskandal im Vatikan ist, wie italienische Medien
mutmaßen. Dabei geht es um ein angeblich im Zuge der
Vatileaks-Ermittlungen aufgedecktes geheimes Netzwerk homosexueller
Priester. „Jemand, der wie Ratzinger Jahrzehnte in der Kurie tätig
war, dürfte von solchen Berichten wohl kaum überrascht sein“, sagte
der ehemalige Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der
Universität Wien im Interview mit der Tageszeitung „neues
deutschland“ (Donnerstagausgabe). Hingegen hält es Mynarek für „nicht
abwegig“, dass auf den Papst wegen dessen Eingriffen in die
Vatikanbank Druck ausgeübt wurde. Er erinnerte in diesem Zusammenhang
an Papst Johannes Paul I., der sich mit Machenschaften des
päpstlichen Geldinstituts befasst hatte und 1978 nach nur 33 Tagen
Pontifikat überraschend verstorben war.

Hoffnung auf Reformen in der katholischen Kirche nach dem
Rücktritt von Benedikt XVI. hat Mynarek nicht. Alle Ansätze dafür,
wie etwa die in Lateinamerika wirkende Theologie der Befreiung, seien
„konsequent und nachhaltig zerschlagen“ worden, vor allem von Joseph
Ratzinger. Die Strukturen in der Kurie sowie die etablierte Dogmatik
würden auch künftig echte Reformen verhindern. Der deutsche Papst
hinterlasse eine „kranke Kirche“, die nicht einmal mehr „ihre
Kernkompetenz“ zu bedienen vermag, so der 1972 aus der Romkirche
ausgetretene Theologe mit Blick auf die sogenannte Gottesfrage.
Ratzinger sei einer wirklichen Debatte über dieses theologische
Zentralproblem ausgewichen und habe sich vor allem auf die
Wiederherstellung der kulturellen Hegemonie der Romkirche in Europa
und in der Welt kapriziert. Das zeige, „dass diese Kirche am Ende
ist“.

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