Rheinische Post: Kommentar: Zerstörung statt Führung

Von Kristina Dunz

Donald Trump will vernichten, was sein Vorgänger Barack Obama
geschaffen hat. Das ist das Ziel des amtierenden US-Präsidenten.
Gleich, worum es sich handelt, ob um die Gesundheitspolitik in
Amerika, das internationale Klimaschutzabkommen, den Freihandel in
der Welt oder jetzt das Abkommen zum iranischen Atomprogramm. Trump
hakt die Versprechen aus seinem Wahlkampf Punkt für Punkt ab. Er
verfasst Dekrete für neue Mauern und Kündigungen bewährter Verträge.
Triumphierend reckt der 71-Jährige sie dann in die Höhe und zeigt,
was ihm daran am meisten gefällt: die eigene Unterschrift. Für den
Milliardär ist alles ein „Deal“. Ein Geschäft, das eben wieder
aufgelöst wird, wenn es dem Boss nicht gefällt. Ihm doch egal, wer
oder was dabei auf der Strecke bleibt. Mit Politik, mit dem
besonnenen und verantwortungsbewussten Vorgehen im mächtigsten Amt
der Welt, hat das wenig zu tun. Eher mit Zerstörungswut. Obama wurde
gleich zu Beginn seiner Amtszeit der Friedensnobelpreis verliehen. Er
selbst war irritiert, dass er diese Auszeichnung quasi als Vorschuss
bekam. Und oft danach gab es Zweifel, ob das die richtige
Entscheidung war. Prägend war aber die damalige Begründung: Obama
wurde dafür ausgezeichnet, dass er sich in außergewöhnlicher Weise um
eine stärkere Zusammenarbeit der Völker bemühte und die Hoffnung auf
eine bessere Zukunft – ohne Atomwaffen – nährte. „Seine Diplomatie
beruht auf dem Konzept, dass diejenigen, die die Welt führen, dies
auf der Grundlage von Werten und Haltungen tun müssen, welche von der
Mehrheit der Weltbevölkerung geteilt werden“, hieß es damals. Trump
verhält sich nicht wie ein Präsident, der die Welt führen kann. Er
hat nicht diesen unbedingten Willen und diese besondere Fähigkeit zu
Vermittlung und Versöhnung, die der Führungsnation einer
multilateralen Weltordnung abverlangt werden. Oft lässt er keinen
Plan erkennen, geschweige denn eine Vision, wie die Natur vor der
Ausbeutung der Menschen bewahrt, die USA durch die globale Wirtschaft
gestärkt und der Frieden in der Welt befördert werden können. Er
glaubt eher an Führung durch Zerstörung. Das ist gefährlich. Er
schreibt sich auf die Fahnen, dass das wirtschaftlich notleidende
Nordkorea nun Versöhnung sucht. Aber zuvor hat er den Diktator Kim
Jong Un mit seinen Atomtests zu einem gefürchteten Anführer auf
Augenhöhe werden lassen. Nun will er diesem Mann, der sich die
Atomwaffe gerade beschafft hat, die Hand reichen, während er sich vom
Iran abwendet, der die Abkehr von der Atomwaffen-Entwicklung
zumindest gerade zugesichert hatte. Er wird vertragsbrüchig, treibt
einen Keil in das transatlantische Bündnis und trägt zur
Destabilisierung der Krisenregion im Nahen Osten mit den Konflikten
zwischen Iran und Israel, Iran und Saudi-Arabien und mit Russland und
Syrien bei. Dabei hätte Trump die Verbündeten in dieser Hinsicht auf
seiner Seite gehabt: Das Atomabkommen frühzeitig nachzubessern, weil
es Mängel hat, und Druck auf Teheran auszuüben wegen seines
ballistischen Raketenprogramms und seiner Kriegspolitik vor allem im
Jemen und im Libanon. Bundeskanzlerin Angela Merkel gehört aber zu
jenen, die nicht verstehen, warum dafür eine gute Grundlage wie das
Atomabkommen vernichtet werden muss, durch das die Welt besser und
nicht schlechter geworden ist. Und wenn Trump von „definitiven
Beweisen“ für iranisches Streben nach Atomwaffen spricht und sie dann
nicht vorlegt, erinnert das an die einstige US-Begründung für den
Irak-Kritik: Massenvernichtungswaffen, die nie gefunden wurden. Die
Europäer bitten jetzt den iranischen Präsidenten Ruhani um
„Augenmaß“. So als ob da in Washington jemand sitze, den man nicht
ganz ernst nehmen könne. Der US-Präsident hat die Tür zugemacht.
Alles Pochen hilft nichts. Die Europäer haben aber von den USA –
lange Vorbild für Führung und Freiheitsrechte – viel gelernt. Sie
müssen nun ihren eigenen Weg gehen. Zumindest, so lange Trump
Präsident ist.

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