Wohlwollend kann man sagen, auch Minister oder
Präsidenten von Sicherheitsbehörden können nicht immer über alles
bescheid wissen, was in ihren Häusern vor sich geht. Dafür sind die
Apparate einfach zu komplex. Im Fall der NSU-Mordserie ist die Zeit
der wohlwollenden Betrachtungen aber endgültig vorbei.
Die vielen Versäumnisse, die inzwischen ans Tageslicht befördert
worden sind, ergeben ein grausiges Bild der staatlichen
Ermittlungstätigkeiten in den letzten zehn Jahren: planlos, ratlos,
chaotisch. Und immer noch hat man den Eindruck, dass die
Verantwortlichen die Dimension der Taten nicht zur Kenntnis nehmen
wollen. Mit Absicht? Wie sonst ist zu erklären, dass nach wie vor
Akten auftauchen, deren Existenz bisher stets verneint worden ist?
Wie sonst kann es sein, dass nun zufällig bekannt wird, dass Hinweise
auf Aufenthaltsorte des Trios ignoriert wurden? Und wie sonst ist es
möglich, dass jahrelange Verbindungen eines engen Vertrauten des
Terror-Trios zu den Berliner Behörden verheimlicht worden sind – ein
V-Mann, der die Neonazis sogar mit Sprengstoff versorgt haben soll?
Nein, es wird an wichtigen Stellen bewusst vertuscht. Einem
Hirngespinst hängen diejenigen nicht mehr nach, die behaupten, die
NSU-Affäre habe die Qualität einer Staatsaffäre erreicht.
Die immer neuen Enthüllungen lassen das Vertrauen in den deutschen
Sicherheitsapparat gegen null sinken. Angela Merkels Worte von der
zentralen Gedenkfeier für die Opfer der Terroristen vor einem halben
Jahr klingen allerdings noch im Ohr: „Wir tun alles, um die Morde
aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken.“ Doch
die Kanzlerin schweigt seit langem zu den Pannen. Auch sie wird
registriert haben, dass die Taten vielleicht hätten verhindert werden
können. Fehler machen aber auch ihre wichtigsten Minister:
Innenminister Hans-Peter Friedrich kann bis heute nicht erklären,
warum wichtige Akten in einer ihm unterstellen Behörde einfach
geschreddert wurden. Seine Reform der Verfassungsschutzbehörden ist
zudem von den Ländern als weitgehend untauglich abgeschmettert
worden. Das passt ins Gesamtbild. Und jetzt hat die Affäre auch noch
Verteidigungsminister Thomas de Maiziere in Erklärungsnot gebracht.
Politisch ist die Aufarbeitung der Terrorserie längst ein Desaster –
nicht für die eifrigen Parlamentarier im Untersuchungsausschuss,
sondern für die Regierung.
Es ist die Gleichgültigkeit an vielen Stellen, die so fassungslos
macht. Genau vor der hat auch Angela Merkel gewarnt:
„Gleichgültigkeit, sie hat eine schleichende, aber verheerende
Wirkung“, meinte die Kanzlerin während der Trauerfeier. Fatal, dass
viele diesen Satz schon vergessen haben.
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Trierischer Volksfreund
Thomas Zeller
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