WAZ: Das System Kraft. Kommentar von Theo Schumacher

Die Landesregierung steht – das System Kraft schält
sich auch beim Personal heraus. Die Ministerpräsidentin setzt
bevorzugt auf Vertraute, sieht dabei auch über Schwächen hinweg.
Loyalität zählt mehr als Prominenz, was nebenbei den Vorteil hat,
dass ihr so schnell niemand gefährlich wird. Die Chefin bleibt der
Star. Wer das Risiko der Minderheitsregierung nicht scheute, genießt
einen Treue-Bonus. Das genügt allerdings nicht dem Qualitätsanspruch,
den ein wichtiges Land wie NRW stellen muss. Zum Beispiel in der
Wissenschaft: Es ist fraglich, ob Ministerin Schulze ihrer großen
Herausforderung gewachsen ist, wenn der doppelte Abi-Jahrgang an die
Unis drängt. Der Ruf als Schwachstelle im Kabinett erleichtert ihr
die Aufgabe nicht. Mit der Teilung des Mammut-Ressorts von
Ex-Minister Voigtsberger korrigiert Kraft dagegen eine
Fehlkonstruktion. Sein Rückzug gab ihr die Chance, beide neuen Häuser
frischen Kräften anzuvertrauen. Michael Groschek muss erst beweisen,
ob er Impulse setzen kann in der Verkehrs- und Städtebaupolitik.
Zuzutrauen wäre es ihm. Als SPD-„General“ ist er bestens verdrahtet
und politisch mit allen Wassern gewaschen. Im Gegensatz zu ihm tritt
Garrelt Duin als fachlich profilierter Neuling an. Er verkörpert im
Kabinett den Anspruch Krafts, bei der Wirtschaft zu punkten. Seine
Berufung spiegelt aber auch den Wahltriumph der SPD wider. Kraft
leitet daraus den Anspruch ab, dass die Farbe Rot in der Industrie-
und Energiepolitik kräftiger leuchtet. Man darf gespannt sein, ob die
Koalition mit den Grünen an diesem Punkt unter Strom gerät. Das neue
Kabinett ist kein Team für fünf Jahre. Kraft wird ihre Regierung
vorzeitig umbilden, um ein Signal zu setzen für die Wahl 2017. Der
eine oder andere Minister macht also nur auf Bewährung weiter.

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 – 804 6519
zentralredaktion@waz.de