Bundesregierung beruft die Mitglieder der Unabhängigen Expertenkommission Antiziganismus (FOTO)


 

Heute, am 27. März 2019 berief die Bundesregierung die Mitglieder
der im Koalitionsvertrag vereinbarten unabhängigen Expertenkommission
Antiziganismus. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma begrüßt die
schnelle Berufung durch den Bundesminister des Innern, Horst
Seehofer, nachdem der Deutsche Bundestag in der vergangenen Woche
entsprechende Entschließungsanträge der Koalitionsfraktionen wie der
Oppositionsfraktionen – mit Ausnahme der AfD – verhandelt hatte.
Minister Seehofer unterstrich die Bedeutung der Expertenkommission
für die zukünftige politische Ausrichtung bei der Bekämpfung des
Antiziganismus. Es sei sein Wunsch und der Wunsch seines
Ministeriums, dass die Kommission einen Abschlussbericht mit
substantiellem Gehalt liefere, der Bundestag, Bundesregierung und der
Minderheit der Sinti und Roma gleichermaßen Vorgaben für einen
respektvollen Umgang liefern möge.

Der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Romani
Rose, erklärte dazu heute: „Antiziganismus ist tiefverwurzelt in der
deutschen und der europäischen Gesellschaft. Die Ächtung des
Antiziganismus durch die Bundesregierung und durch die Politik muss
jetzt durch entsprechende Anstrengungen insbesondere in der
politischen Bildung untermauert werden.“ Der Deutsche Bundestag
hatte während der Debatte am vergangenen Freitag die Bekämpfung des
Antiziganismus als gemeinsame Aufgabe von Politik und Gesellschaft
benannt, aber im dann verabschiedeten Entschließungsantrag der
Koalition keine Selbstverpflichtung des Bundestages hierzu
aufgenommen.

Um so wichtiger ist für den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
jetzt die Arbeit der Expertenkommission, die neben einem Bericht zum
Ende der Legislaturperiode konkrete Empfehlungen an die
Bundesregierung geben soll, um die historische Dimension ebenso
aufzuarbeiten wie den gegenwärtigen Antiziganismus zu bekämpfen.
Hierzu gehöre vorrangig die Dokumentation antiziganistisch
motivierter Straftaten wie die Beobachtung von Antiziganismus in den
Medien und den Auswirkungen bei den Einstellungen in der Bevölkerung.
Insbesondere sollte die Kommission ihr Augenmerk auf Schule und
Bildung richten, denn gerade in den Schulen gibt es kaum
verlässliches und gut aufbereitetes Bildungsmaterial zum Thema Sinti
und Roma, so Rose.

Romani Rose wies darauf hin, dass nach 1945 die antisemitischen
Einstellungen in Deutschland damals so hoch lagen wie heute
antiziganistische Einstellungen. Der Antisemitismus wurde jedoch –
auch auf Druck der Alliierten – durch eine klare, inzwischen von
allen demokratischen Parteien getragene politische Haltung auch
gesellschaftlich geächtet. Dagegen zeigen die Untersuchungen der
Leipziger Universität aus dem Jahr 2018 wie die der Europäischen
Grundrechteagentur, dass die Ablehnung von Sinti und Roma in der
Bevölkerung bei nahezu 60 Prozent liege. „Die Aufgabe der
Expertenkommission Antiziganismus ist daher von grundsätzlicher
Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die
Stabilität unserer demokratischen Verfassßtheit“, so Rose.

Dabei dürfe sich die Bekämpfung des Antiziganismus nicht
ausschließlich auf die Auseinandersetzung mit rassistischen
Einstellungen, Handlungen und Strukturen beschränken. Genauso wichtig
sei es, die Leistungen und Beiträge von Sinti und Roma zur deutschen
und europäischen Kultur in der Gesellschaft sichtbar zu machen; dies
müsse die positive Antwort auf den bestehenden Antiziganismus sein,
so Rose. Ein wichtiges Projekt sei hier das über vier Jahre hinweg
von der Kulturstiftung des Bundes geförderte „RomArchive“, das
ebenfalls am heutigen Tag in die Trägerschaft des Dokumentations- und
Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma übergeht (www.romarchive.eu).

Die Expertenkommission bestimmt ihr Arbeitsprogramm unabhängig und
eigenständig. Die vom Bundesminister des Innern berufenen Mitglieder
der unabhängigen Expertenkommission sind:

Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal, Universität Bielefeld
Dr. Hendrik Cremer, Deutsches Institut für Menschenrechte
Dr. Markus End, Zentrum für Antisemitismusforschung
Dr. Karola Fings, NS-Dokumentationszentrum Köln
Georgi Ivanov, Amaro Foro
Prof. Dr. Elizabeta Jonuz, Hochschule Hannover
Jana Mechelhoff-Herezi, Stiftung Denkmal der Ermordeten Juden Europas
Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Bergische Universität Wuppertal
Dr. Frank Reuter, Universität Heidelberg
Prof. Dr. Wolfram Stender, Hochschule Hannover
Dr. Jane Weiß, Humboldt Universität zu Berlin.

Pressekontakt:
Herbert Heuß
Wissenschaftlicher Leiter

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