Mit der Gesundheitspolitik der vergangenen
Legislaturperioden hat der Druck auf die niedergelassenen Ärzte
massiv zugenommen, wohingegen Medizinkonzerne sich in der ambulanten
Medizin ungehindert ausbreiten konnten. Das ist das nüchterne Fazit
der öffentlichen Fachdiskussion, zu der die Freie Ärzteschaft (FÄ) im
Vorwege ihrer Mitgliederversammlung am Samstag nach Düsseldorf
geladen hatte. „Die künftige Bundesregierung – welche Parteien auch
immer diese nun stellen werden – muss einen Kurswechsel in der
Gesundheitspolitik herbeiführen“, sagte FÄ-Vorsitzender Wieland
Dietrich.
In einer Resolution fordern die Mitglieder der Freien Ärzteschaft
von der künftigen Bundesregierung eine Stärkung der freiberuflichen
ambulanten Medizin durch attraktive Bezahlung aller ambulanten
ärztlichen Leistungen in festen Eurobeträgen und ohne Budgets, die
Abschaffung der Regresse für Arzneimittel und veranlasste Leistungen
sowie die Einführung einer transparenten Kostenerstattung. Außerdem
sollen das Prinzip „ambulant vor stationär“ und die
Wettbewerbsfähigkeit der freien Arztpraxen gegenüber den
renditeorientierten Medizinkonzernen gefördert werden. FÄ-Chef
Dietrich betonte: „Dem Runterwirtschaften der ambulanten Medizin in
den Arztpraxen und der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens muss
dringend Einhalt geboten werden.“
„Elektronische Gesundheitskarte“ einstellen
Die Freie Ärzteschaft fordert die künftige Bundesregierung zudem
auf, das Pleitenprojekt „Elektronische Gesundheitskarte“ (eGK) sofort
einzustellen und dezentrale, freiwillige IT-Lösungen zu ermöglichen,
die Ärzte und Patienten für medizinisch sinnvoll halten. „15 Jahre
Planung, Kosten von mehreren Milliarden Euro und keine Verbesserungen
für Patienten und Ärzte in Sicht“, so beschrieb FÄ-Vize Dr. Silke
Lüder die Bilanz des Projekts. „Die Bürger zahlen ihre Beiträge zur
Krankenversicherung für gute Medizin und nicht für die Rendite von
IT-Firmen und den Überwachungsdrang von Politik und Krankenkassen.“
Bislang sei es nicht sinnvoll, Geräte für die Online-Anbindung zu
bestellen. Der Zeitpunkt der Zwangs-Onlineanbindung sei erneut
verschoben worden auf den 1. Januar 2019 – und ob es das Projekt dann
noch gebe, bliebe abzuwarten.
Preise in bestehender Gebührenordnung anpassen
Ein klarer Appell ging auch an die Bundesärztekammer. Die Freie
Ärzteschaft fordert ein Ende des Ausverkaufs der Gebührenordnung für
Ärzte (GOÄ) als Gebührenordnung des freien Berufs Arzt. „Die
Bundesärztekammer soll sich endlich um eine echte und kurzfristige
Preisanpassung der bestehenden GOÄ kümmern“, heißt es in der
Resolution. „Nach 20 Jahren ohne Inflationsausgleich kommt eine
Honorarsteigerung von maximal 5,8 Prozent über drei Jahre einem
knallharten Budget gleich“, kritisierte FÄ-Vize Dr. Axel Brunngraber
die derzeitigen Verhandlungsergebnisse zu einer neuen GOÄ. „Wir
fordern die Bundesärztekammer daher auf, eine umgehende
Punktwerterhöhung sowie eine Überführung von Analogleistungen in
aktuelle Leistungsziffern gegenüber einer künftigen Bundesregierung
zu vertreten.“ Die kürzlich erfolgte, deutliche Honorarerhöhung im
Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (UV-GOÄ) um 18 Prozent
für die kommenden vier Jahre bei Erhalt der Grundstruktur zeige, was
möglich sei.
Drastische Verschiebung hin zu Kapitalunternehmen
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung
Nordrhein, Dr. Frank Bergmann, machte klar, dass die Politik weiter
an der Friedensgrenze zwischen Gesetzlicher (GKV) und Privater
Krankenversicherung (PKV) rüttele. „Wir werden jeden Versuch
bekämpfen, die Dualität von GKV und PKV in Frage zu stellen“, betonte
er in seinem Vortrag. Erfreulich hingegen sei das Bekenntnis der
Jamaika-Sondierungspartner gewesen, die Freien Berufe ausbauen und
stärken zu wollen. „Wir werden jede künftige Bundesregierung gern an
diesen Satz erinnern. Denn die ärztliche Freiberuflichkeit ist die
Voraussetzung für eine leistungsfähige Versorgung. Und sie ist ein
Gegenmodell zu investorengetriebenen Kartellstrukturen, die wir in
der ambulanten Medizin mit Sorge beobachten.“ Beispielsweise in der
Radiologie, Augenheilkunde und bei Dialysen gebe es eine drastische
Verschiebung hin zu Wirtschafts- und Kapitalunternehmen. Bergmann
appellierte an die Politik: „Auch dazu erwarten wir Antworten. Vier
weitere Jahre untätiges Abwarten durch die Politik können wir uns
nicht erlauben.“
Bürgerversicherung erhöht Zusatzbeiträge für Kassenpatienten
Nach Einschätzung von Dr. Thomas Drabinski, Leiter des Instituts
für Mikrodaten-Analyse in Kiel, fallen mit dem Scheitern der
Jamaika-Gespräche alle Diskussionen und Reformpläne zur
Gesundheitspolitik, die CDU/CSU, Grüne und FDP erarbeitet hatten,
wieder auf Null zurück. „Auch die Ideen zu einer Bürgerversicherung
und einer Vereinheitlichung der ambulanten Vergütungssysteme EBM und
GOÄ“, sagte der Gesundheitsökonom. Studien hätten gezeigt, dass sich
eine Bürgerversicherung negativ auf die Beschäftigung, Infrastruktur
und das medizinische Angebot auswirke. Drabinski hat zudem errechnet,
dass eine Bürgerversicherung zulasten der Kassenpatienten ginge: Der
Zusatzbeitrag der GKV-Versicherten würde um 1,5 Prozent steigen,
wohingegen sich die heute Privatversicherten über 40 Prozent
Beitragssenkung freuen könnten. Zu den Instrumenten einer
zukunftsorientierten Gesundheitspolitik zählen Drabinski zufolge etwa
die Einführung sogenannter Interessenquoten, einer Eigenbeteiligung
der Patienten, die Beitragsautonomie für Krankenkassen sowie die
Abschaffung von Budgets. „Wir brauchen eine
Generationengerechtigkeit“, resümierte der Gesundheitsökonom.
Über die Freie Ärzteschaft e.V.
Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) ist ein Verband, der den
Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er wurde 2004 gegründet und
zählt heute mehr als 2.000 Mitglieder: vorwiegend niedergelassene
Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze. Vorsitzender des
Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in Essen. Ziel der
FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und Arzt im
Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt.
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V .i. S. d. P.: Wieland Dietrich, Freie Ärzteschaft e.V.,
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