Große Fragen sind zu berücksichtigen, wenn man die
Bürger zur Organspende bewegen will. Es geht um ethische und
religiöse Vorbehalte, um den verfassungsrechtlichen Grundkonflikt
zwischen persönlicher Freiheit und gesellschaftlichen Normen. Wie bei
der Impfpflicht muss am Ende die Entscheidung getroffen werden: Soll
die Freiheit des Einzelnen über dem Interesse der Allgemeinheit
stehen oder darf sie eingeschränkt und der Gemeinschaft unterworfen
werden? Das macht den Entwurf von Jens Spahn und Verbündeten so
bemerkenswert. Weil er einem Systembruch gleichkommt – vielleicht
sogar im Denken des Ministers, dessen Ansichten zuweilen eher von
Realitätsverlust zeugten. Die Freiheit zu entscheiden über seinen
Körper, über das Ob einer Organspende, wird mit dem Gesetzentwurf
nicht eingeschränkt. Doch er kehrt die Prämissen um. Und er baut auf
menschliche Bequemlichkeit. Sie ist ein mächtiger Verbündeter. Mit
dem eigenen Tod beschäftigen sich die Wenigsten ohne Not, das heißt,
so lange dieser ihnen nicht auf die Pelle rückt. Das wird sich auch
mit einem neuen Gesetz nicht ändern. Nur führt Nichtstun derzeit
dazu, dass die Zahl der Spender dem Bedarf nicht gerecht wird. Nun
soll es dazu dienen, die Leiden der Wartenden zu kürzen. Wer dies aus
gewichtigen Gründen verweigert, hat ein Motiv zu widersprechen. Und
ihm bleibt die Wahl. Von einer Organspende abhängige Menschen haben
diese nicht.
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