Liao Yiwu: Schon der Gedanke an den Widerstand
wird jetzt gefährlich
Schriftsteller attestiert dem Westen im Umgang mit Chinas
Machthaber Xi Jinping eine „Bankrotterklärung“ – Der mit dem
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Autor übt
Kritik am Künstler Ai Weiwei
Osnabrück. Schriftsteller Liao Yiwu (59) wirft dem Westen vor, im
Umgang mit China die Frage nach den Menschenrechten zu
vernachlässigen. Machthaber Xi Jinping habe sich „zum neuen Kaiser
von China“ gemacht. Der Westen huldige nun dem Machthaber. „Des
Geldes wegen machen sie einem Diktator Zugeständnisse, schließen
faule Kompromisse und vermeiden es, Menschenrechtsfragen
anzusprechen. Dieses Verhalten ist nicht nur eine Schande für jede
Demokratie, es ist eine Bankrotterklärung“, sagte Liao Yiwu im
Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag). Der Autor
wurde 2012 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
ausgezeichnet. Das Buch „Fräulein Hallo und der Bauernkaiser: Chinas
Gesellschaft von unten“ machte den Autor berühmt. Als einer der
bekanntesten chinesischen Dissidenten lebt er in Berlin.
Das Projekt Chinas, seine Bürger mit einem Punktsystem zu benoten,
sieht Liao Yiwu als eine Neuauflage des von George Orwell in seinem
berühmten Roman „1984“ geschilderten Überwachungssystems. Das
Internet werde jetzt benutzt, um die Bürger vollständig auszuspähen.
„Eine übermächtige Internetpolizei garantiert die Aufrechterhaltung
dieses Systems. Jetzt ist nicht nur der tatsächliche Widerstand
gefährlich, sondern allein der Gedanke an den Widerstand. Die
Erziehungsdiktatur ist längst da“, sagte Liao Yiwu. Freies Schreiben
sei deshalb in China nur im Untergrund möglich. Autoren in China
müssten, „unter Pseudonym veröffentlichen, sich nicht um die Gesetze
scheren und eigene Wege zum Druck und zur Verbreitung unzensierter
Inhalte finden“. Dazu gehöre, mit spezieller Software „die Firewall
des Staates zu überwinden und in den Dissidenten-Netzwerken im
Ausland zu veröffentlichen“.
Harte Kritik übte Liao Yiwu an dem Künstler Ai Weiwei. „Er ist
heute alles andere als ein Rebell und schon gar kein Dissident, er
kann frei nach China ein- und wieder ausreisen und gehört jetzt zur
Elite der chinesischen Milliardäre“, sagte der Autor. Liao Yiwu wirft
Ai Weiwei vor, „den von der Regierung ermordeten Widerstandskämpfer
und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo geschmäht“ und das Massaker
auf dem Tiananmen-Platz vom 4. Juni 1989 verharmlost zu haben.
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