NOZ: Welthungerhilfe warnt vor neuer Migrationswelle

Welthungerhilfe warnt vor neuer Migrationswelle

Thieme: Es droht ein Rückfall – Anstieg der Hungerleidenden
„unerträglich“ – Kritik an Bundesentwicklungsminister Müller

Osnabrück. Wegen fehlenden Geldes für die Flüchtlinge aus Syrien
warnt die Welthungerhilfe vor einer neuen Migrationswelle: Zwar habe
sich die Lage in den Lagern in der Türkei, in Jordanien und im
Libanon seit 2015 verbessert. „Aber es droht ein Rückfall. Die
Programme der Vereinten Nationen sind dramatisch unterfinanziert. Für
Syrien fehlen den UN 30 Prozent der Gelder“, sagte die neue
Welthungerhilfe-Präsidentin Marlehn Thieme der „Neuen Osnabrücker
Zeitung“. „Und eine Perspektive für die Flüchtlinge, in ihre Heimat
zurückzukehren, fehlt noch immer.“ Laut Thieme sind allein in Syrien
noch 13 Millionen Menschen auf Lebensmittelhilfe angewiesen.

Weltweit gebe es heute 17 Millionen mehr Menschen, die Hunger
leiden, als vor zwei Jahren. „Das ist unerträglich“, sagte Thieme. 40
Millionen Menschen seien in ihren Heimatregionen auf der Flucht. „Die
extremen Verteilungskonflikte, die dort entstehen, lassen die
Debatten über Integration und Migration hierzulande geradezu
erbärmlich erscheinen“, so die Welthungerhilfe-Präsidentin. Die
Staatengemeinschaft tue viel zu wenig zur Eindämmung von Konflikten,
deswegen werde auch der gerade verabschiedete UN-Migrationspakt „Not
und Elend kaum lindern“, beklagte sie.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warf sie vor, dessen
„Pakt mit Afrika“, der auf Privatinvestoren setze, greife viel zu
kurz. „Das reicht bei weitem nicht aus. Die Ärmsten der Armen werden
von Privatinvestoren nichts haben, weil sie in Regionen leben, in
denen sich keine Geschäfte machen lassen“, sagte Thieme. Drei von
vier Hungernden in Afrika lebten auf dem Land. „Sie müssen durch
staatliche Programme und Hilfsprojekte in die Lage versetzt werden,
sich selbst zu ernähren.“

Besorgt zeigte sich Thieme über den Einbruch der Zahl privater
Spender in Deutschland um rund eine halbe Million gegenüber 2017.
„Ich kann die Bürger nur animieren, darüber nachzudenken, wie gut es
ihnen selbst geht und was sie für andere abgeben könnten“, sagte sie.
„Jede kleine Spende hilft! Fünf Euro sind in einem Entwicklungsland
viel Geld.“ Helfen könne man auch durch sein eigenes Konsumverhalten,
den Kauf fair gehandelter Produkte und durch Verzicht auf Fleisch.
„Für ein Kilo Fleisch wird ein Vielfaches an Getreide und anderer
nichtfleischlicher Produkte –aufgefressen–„, erklärte die
Welthungerhilfe-Präsidentin.

Der Bundesregierung warf sie vor, die Nachhaltigkeitsziele der
Vereinten Nationen „bei weitem nicht ernst genug“ zu nehmen. „Wir
müssen uns doch fragen, was wir tun können, damit der Zusammenhalt
der Welt nicht durch Konflikte, Hunger und Elend gesprengt wird“,
mahnte Thieme. „Die planetarischen Grenzen werden in Deutschland und
Europa schon lange überschritten.“

Von der EU forderte sie, „dringend Rahmenbedingungen zu schaffen,
damit lebenssichernde Wertschöpfung in Entwicklungsländern
stattfindet, gute Governance Korruption verhindert und die Erträge
aus dem Abbau von Rohstoffen auch den Menschen vor Ort zugutekommen.“
Berichtspflichten für Lieferketten seien dafür notwendig. „Und wir
müssen uns klar machen, dass Hähnchenschenkelexporte nach Afrika die
Landwirtschaft dort zerstören“, erklärte sie.

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