Olaf Scholz im „stern“-Interview: „Eklatante Führungsschwäche“ bei Merkel

SPD-Vize Olaf Scholz dämpft die Erwartungen, dass
es schnell zu einer Großen Koalition kommen könne: „Sie ist eine
Option. Aber nur eine. Es gibt keinen Automatismus, dass sie auch
zustande kommt“, sagt der Hamburger Bürgermeister in einem Interview
mit dem Hamburger Magazin „stern“, dessen neue Ausgabe am Donnerstag
erscheint. Dabei gilt Scholz SPD-intern als einer der größten
Befürworter einer Großen Koalition. Nun sagt er, dass wegen der
schwierigen politischen Lage der Weg zu einer neuen Regierung lang
sei: „Diese Zeit müssen wir uns nehmen.“ Große Koalitionen dürften
auch kein Dauerzustand werden: „Wenn der politische Wettbewerb nicht
mehr zwischen den beiden Volksparteien stattfindet, hat das negative
Folgen für unsere Demokratie.“

Scholz, der als Koordinator der SPD-regierten Bundesländer ein
erfahrener Verhandler ist, übt scharfe Kritik an den
Jamaika-Sondierungen – auch an der Rolle von Angela Merkel. Beim
Scheitern habe er eine „eklatante Führungsschwäche“ beobachtet. Die
Union mache es sich zu einfach, wenn sie das alles nur der FDP
anlaste. „Es ist auch ein Scheitern der CDU-Vorsitzenden.“ Ihre Kraft
habe sich offensichtlich erschöpft. Es sei fraglich, ob sie bei den
Gesprächen über eine Neuauflage der Großen Koalition die Kraft finde,
eine Einigung herzustellen. Etwa in den großen Fragen der
Europapolitik und mit Blick auf die Initiativen des französischen
Präsidenten Emmanuel Macron fehle es der Kanzlerin an Leadership.
„Ihr politischer Stil kommt offenbar an seine Grenzen“, sagt Scholz,
„die Zeit des Durchlavierens ist vorbei.“

Im Unterschied zu vielen anderen SPD-Politikern spricht sich
Scholz klar gegen die Duldung einer Minderheitsregierung aus:
„Deutschland hat 80 Millionen Einwohner, wir sind eine großes
Volkswirtschaft, das wichtigste Land in Europa. Wir brauchen eine
stabile Regierung“. Der SPD-Vize mahnt die eigene Partei, im Vorfeld
von Sondierungen keine Vielzahl von Forderungen zu formulieren. Es
gehöre nicht alles in die Öffentlichkeit. „Ein bisschen Zurückhaltung
schadet nicht“, sagt Scholz. Die Jamaika-Verhandlungen seien auch an
fehlender Seriösität gescheitert. Das Twittern von Zwischenständen,
das Posten von Arbeitspapieren bei Facebook oder das öffentliche
Ziehen von roten Linien – das werde man mit ihm nicht erleben.

Scholz tritt auch Spekulationen entgegen, er könne auf dem
SPD-Bundesparteitag in der kommende Woche gegen Martin Schulz als
Vorsitzender antreten. „Unsere Regelungen sehen vor, dass
Kandidaturen rechtzeitig angekündigt werden müssen. Für den
Parteivorsitz kandidiert allein Martin Schulz.“ Der werde mit einem
„überzeugenden Ergebnis“ gewählt werden. Er selbst werde sich erneut
um den stellvertretenden Vorsitz bewerben.

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