Trierischer Volksfreund: Karlsruher Richter bremsen Euro-Geheimgremium – Leitartikel, Trierischer Volksfreund 29.02.2012

Kungelrunden gehören scheinbar so selbstverständlich
zur Politik wie der Schnee zum Winter. Für den einfachen Abgeordneten
ist das nicht unbedingt immer vergnügungssteuerpflichtig. Wenn zum
Beispiel der in keinem Gesetz enthaltene Koalitionsausschuss einsame
Beschlüsse fasst, dann dürfen die Parlamentarier von den
Regierungsparteien dafür später nur noch die Hand heben. Auch der so
genannte Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag hat
mit den klassischen demokratischen Gepflogenheiten wenig zu tun.
Nicht selten werden dort Formelkompromisse ausgetüftelt, die vielen
Abgeordneten die Haare zu Berge stehen lassen.

Umso verdienstvoller ist es, dass zwei von ihnen gegen die
Verlagerung von Entscheidungen in Kleinstgremien vor dem
Bundesverfassungsgericht aufbegehrt haben. Und das mit Erfolg.
Zumindest bei den Euro-Rettungshilfen wird es für die Regierung
künftig schwerer werden, an der Masse der Abgeordneten vorbei zu
handeln. Damit setzt Karlsruhe ein klares Zeichen gegen die
Aushöhlung der parlamentarischen Demokratie, für die Stärkung der
Abgeordnetenrechte.

Trotzdem sollte sich niemand Illusionen machen. In einer scheinbar
immer komplizierter werdenden Welt vermag auch der fleißigste
Volksvertreter nicht alle Zusammenhänge sämtlicher Lebensbereiche bis
ins letzte Detail zu durchschauen. Schon gar nicht bei der
Schuldenkrise, über deren Behebung selbst ausgewiesene
Wirtschaftswissenschaftler streiten. Bei vielen Themen müssen sich
die Abgeordneten daher auf die Kompetenz ihrer zuständigen
Fachkollegen im Parlament verlassen. Das ist nichts Schlimmes, so
lange sie sich am Ende selbst eine Meinung bilden und ihre Abstimmung
vor dem eigenen Gewissen verantworten können. Auf diese eigene
Meinung, auf ihr Gewissen dürfen die Abgeordneten nun stärker
bestehen. Das ist die Botschaft des Karlsruher Urteils.

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Thomas Zeller
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