Der Euro und die Steuern, Arbeitsplätze und
Wirtschaftswachstum – es sind in der Regel die „harten“, die
ökonomisch relevanten Themen, die die politische Diskussion
beherrschen. Doch gerade in letzter Zeit muss sich die Regierung
vermehrt ethischen Fragen stellen – und tut sich mit überzeugenden
Antworten äußerst schwer. Das liegt nicht allein an der diffizilen
Materie, sondern auch am mangelnden Mut der Politik. Beispiel
Organspende. Wann dürfen Toten Organe zur Transplantation entnommen
werden, wann nicht? Jahrelang feilschten die Parteien um einen
Konsens. Heraus kam mit der so genannten Entscheidungslösung ein
lauer Kompromiss, der das Problem – den eklatanten Mangel an
Spenderorganen – nicht lösen wird. An die praktikabelste Lösung (Wer
nicht ausdrücklich widerspricht, ist potenzieller Organspender)
traute man sich nicht heran. Beispiel Beschneidung. Nach dem Kölner
Urteil, das die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen für
strafbar erklärte, versprach die Berliner Regierungskoalition eine
schnelle Regelung, die diese Beschneidungen erlaubt. Doch die
Formulierung einer Regelung, die Gegnern wie Befürwortern gerecht
wird, gestaltet sich schwieriger als gedacht. Ein Gesetzentwurf liegt
bislang nicht vor. Aktuelles Beispiel Sterbehilfe. Die gestrige
Entscheidung des Kabinetts, gewerbsmäßige, also auf Profit abzielende
Sterbehilfe unter Strafe stellen zu wollen, mogelt sich an wichtigen
Fragen vorbei. So sieht der Gesetzentwurf vor, dass nicht nur
Angehörige, sondern auch Ärzte und Pfleger in Ausnahmefällen
Sterbehilfe straffrei unterstützen dürfen. Dies soll immer dann der
Fall sein, wenn sie dem Patienten seit langem besonders nahestehen.
Wie dieses „Nahestehen“ definiert wird, bleibt völlig unklar. Zudem
ist dies eine Klausel, die gerade im Licht des aktuellen
Organspende-Skandals höchst problematisch ist. Das Gesetz ist vorerst
nur vom Kabinett gebilligt. Nicht ausgeschlossen, dass im Bundestag
die Regelung in einzelnen Teilen noch einmal verändert – und die
gesamte Debatte neu entfacht wird.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 – 804 6519
zentralredaktion@waz.de