Ein jüdischer Professor aus den USA ist bei seinem
Deutschlandbesuch gleich zweimal Opfer geworden: Erst durch den
Angriff eines Antisemiten, dann aufgrund einer Verwechslung durch
Polizeiprügel. Der Vorwurf des Forschers: Die Beamten hätten ihn mit
Einschüchterungen von einer Beschwerde abbringen wollen und später
bei der Darstellung des Übergriffs gelogen. Zwei gravierende
Missstände der deutschen Gesellschaft verdichten sich in der Episode:
Das Land hat ein Problem mit Antisemitismus; das Land hat ein Problem
mit Polizeigewalt. Und über Letztere wird in diesem Fall nur
umfassend berichtet, weil das Opfer ein Professor ist – der selbst
kluge Worte dafür findet: »Wäre ich ein Underdog der deutschen
Gesellschaft, würde sich niemand dafür interessieren.«
Der G20-Spruch von Olaf Scholz, »Polizeigewalt hat es nicht
gegeben«, ist bei Behörden Leitprinzip. Arme Menschen, Migranten,
Geflüchtete, Demonstranten, Fußballfans oder Pechvögel, die zur
falschen Zeit am falschen Ort sind, erleben sie trotzdem Tag für Tag.
Nur rund drei Prozent ihrer Anzeigen werden zur Anklage gebracht, die
Anzahl der Verurteilungen ist noch geringer. Schon seit Jahren
fordern Bürgerrechtler unabhängige Ermittlungsbehörden für
Polizeigewalt, eine konsequente Kennzeichnungspflicht und eine
selbstkritische Fehlerkultur der Behörden. Stattdessen: Verschärfte
Polizeigesetze, die die Gefahr von Machtmissbrauch weiter steigern.
So verschreckt man nicht nur ausländische Professoren, so gefährdet
man den sozialen Frieden.
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