WAZ: Es geht nicht nur um die Quote
– Leitartikel von Ulrich Reitz

Jetzt, da die Kanzlerin die Frauenquote für
Führungsmenschen erledigt hat, lassen sich doch ganz entspannt einige
Fragen diskutieren, die bislang zu kurz kommen. Politisch korrekt
sind sie nicht, und wer so etwas nicht mag, sollte hier besser
aufhören zu lesen. Viele Anregungen zum Folgenden finden sich im Buch
der Ex-Taz-Chefin und Feministin Bascha Mika. Ihr Buch „Die Feigheit
der Frauen“ erscheint am Montag, wir werden es besprechen. Nun also:
Führungsmensch zu sein ist toll. Mann verdient viel Geld und hat das
Gefühl, irgendwie am Weltrad mitzudrehen. Aber KarriereMann ist nur
zum Schlafen daheim, die Leistungsanforderung nimmt nicht ab, sondern
vielmehr zu. Die Zahl derjenigen, die vom Wagen purzeln, und das in
immer kürzeren Abständen, sinkt nicht, sie steigt. Kurzum: Mann
sollte doch froh sein, wenn Frauen seine Last teilen. Aber wie viele
Frauen wollen sich das antun? Denn: Groß ist die Versuchung, es sich
in der familiären „Komfortzone“ (Mika) bequem zu machen, sich vom
„Hormonkomplott“ mattsetzen zu lassen oder, mit 800-Euro-Kinderwagen
und morgendlichem Latte Macchiato nach dem Joggen an der eigenen
Work-Live-Balance zu arbeiten. Ohne Frage: Es gibt die „gläserne
Decke“, an der Frauen oft scheitern, die männlichen Rituale, dieses
ständige gorillahafte Brustklopfen, das Frauen (gottlob) nicht
gegeben ist. Diese Dinge verhindern Aufstieg. Aber es gibt eben auch
die andere, die Seite, die Frauen sich selbst zuschreiben müssen. Wie
viele sind bereit, sich leidenschaftlich und kompromisslos und auch
rücksichtslos reinzuhängen? Wie viele sind bereit, ihre Sicherheit
einzutauschen gegen volles Risiko? Wie viele sind bereit, einen oft
brutalen, intrigenbeladenen, offenen Wettbewerb um die Spitzenaufgabe
zu ertragen, inklusive Niederlage? Die Frauenquote ist auch ein
politisches Gift. Sie gaukelt politische Lösungskompetenz vor, wo
keine ist. Die Politik würde die Quote einführen und sich dann dem
nächsten Problem zuwenden. Weitere Hilfe hätten Frauen nicht von ihr
zu erwarten. Fazit: Autorin Mika knüpft an diesen Befund die
Forderung an die Frauen, sich endlich selbst zu befreien. Das wird
nicht reichen. Es bedarf auch einer handfesten Männerrebellion gegen
selbst gesetzte Rollenerwartungen an Alphamännchen.

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