WAZ: Schäubles Haushalts-Traum. Kommentar von Winfried Dolderer

So schlecht kann es den Griechen gar nicht gehen,
dass ein deutscher Finanzminister nicht noch in der Lage wäre,
schillernde Seifenblasen in die Luft zu pusten. Auch Wolfgang
Schäuble hat einen Traum. Es ist derselbe, der schon seinen beiden
Vorgängern letztlich zur Fata Morgana zerrann. Doch Schäuble wähnt
sich dem Ziel näher denn je. Er will die „schwarze Null“, den
ausgeglichenen Bundeshaushalt, viel früher erreichen als geplant.
Geht es nach ihm, werden die Vorgaben der Schuldenbremse, die nur
noch ein minimales Defizit gestatten, bereits im nächsten Jahr statt
erst 2016 erfüllt. Und für 2014 könnte sich Wolfgang Schäuble erst-
mals ein Null-Defizit vorstellen, freilich mit der Einschränkung, die
schwarz-gelbe Koalition in Berlin müsse für die dazu notwendigen
Entscheidungen dann auch die Kraft aufbringen. Damit kommt Schäuble
scheinbar den Liberalen entgegen, die die Forderung nach dem Verzicht
auf Neuverschuldung bereits 2014 zu ihrem jüngsten finanzpolitischen
Dogma erhoben haben. Dass er selber kein Dogmatiker ist, lässt der
Minister freilich nicht unerwähnt. Man könne beim Sparen auch zuviel
des Guten tun, gibt er zu bedenken, und möchte seinen Optimismus für
2014 nur so verstanden wissen, dass niemand gehindert sei, sich
anzustrengen. Und warum sollte sich nicht ein Finanzminister auch
ehrgeizige Ziele setzen, wenn die Konjunktur immer noch einigermaßen
rund läuft und die Steuereinnahmen sprudeln? Außer dem Zinsniveau
wären das in der Tat früher einmal die entscheidenden Variablen
gewesen, mit denen Schäuble hätte kalkulieren müssen. Leider kommt
heute eine weitere, nicht ganz unerhebliche hinzu, die Gefahr eines
Staatsbankrotts im Euro-Raum. Ein neuer Schuldenschnitt für
Griechenland, wie ihn die Troika in ihrem Bericht offenbar fordert,
ginge jetzt auf Kosten der staatlichen Gläubiger, nachdem die
privaten schon beim vorigen Mal gerupft wurden. Käme es so, es hieße:
Aus der Traum vom ausgeglichenen Haushalt.

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