NRZ: Deutschland sollte Snowden helfen – ein Kommentar von JAN JESSEN

Natürlich sollte Deutschland Edward Snowden helfen
und ihm Schutz anbieten. Der Mann mag kein politisch Verfolgter im
klassischen Sinn sein; Asyl muss ihm aber gar nicht gewährt werden.
Es würde völlig ausreichen, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu
erteilen. Das könnte der Bundesinnenminister aus „dringenden
humanitären Gründen“ tun, so steht es im Gesetz. Wird er aber nicht,
weil Berlin Angst vor der Gefährdung der transatlantischen
Beziehungen hat. Dabei ist es nötig diese Beziehungen neu zu
sortieren. Deutschland hat den US-Amerikanern viel zu verdanken,
angefangen vom Marshallplan bis hin zu ihrer Hilfe bei der
Wiedervereinigung. Der Freund jenseits des Atlantiks wird aber immer
befremdlicher. Im Namen von Freiheit und Demokratie haben die USA
völkerrechtswidrige Angriffskriege vom Zaun gebrochen. Sie sperren
Menschen ohne Anklage und ohne Urteil ein. Sie lassen Drohnen killen.
Sie spionieren Bürger und Politiker befreundeter Staaten massenhaft
aus. All dies kann nicht mehr so schulterzuckend hingenommen werden
wie in den vergangenen Jahren. Einen Freund muss man darauf
hinweisen, dass er einen falschen Weg beschreitet, dass er die
eigenen Ideale verrät. Deutschland und Europa müssen selbstbewusster
werden im Umgang mit den USA. Washington muss klar und deutlich
beschieden werden, dass zu einer Freundschaft auch Vertrauen gehört
und dass Washington dieses Vertrauen massiv beschädigt hat. Die
Aufnahme des Mannes, der uns die kruden Allmachtphantasien seines
Landes so deutlich vor Augen geführt hat – und dem deswegen in den
USA eine lange Haftstrafe droht – wäre ein Ausdruck dieses neuen
Selbstbewusstseins.

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