Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Angela Merkel

Angela Merkels verspätete Sommer-Show vor der
Berliner Presse sollte vor allem zwei Signale senden. Erstens: Die
mächtigste Frau Europas übernimmt wieder die Regie, nachdem zuletzt
das Bundesverfassungsgericht mit seinem wegweisenden Urteil zur
EU-Rettungspolitik und der Chef der Europäischen Zentralbank die
Weichen in Sachen Euro zu stellen schienen. Und zweitens: Merkel
inszeniert sich als Garantin für Stabilität und Augenmaß in jener
dramatischen Krise, die seit Jahren die Europäer und die übrige
Finanzwelt in Atem hält. Diese Melodie passt blendend zum Bild der
großen Kümmerin, das die Kanzlerin bei der Mehrheit der Deutschen
genießt. Nur passt es viel weniger zur politischen Praxis Merkels.
Denn zum Regieren gehört ein klarer Kurs. Entschiedene Positionen
mied die Kanzlerin allerdings – wieder einmal. Was soll man davon
halten, wenn die Regierungschefin zumindest verbal Bundesbank-Chef
Weidmann den Rücken stärkt, um fast im selben Atemzug zu bekräftigen,
dass dessen Kontrahent, Euro-Banker Draghi, mit seinem Anleihen-Kauf
richtig liegt? Merkel ließ auch die Chance verstreichen, ihre
zerfransende Koalition zur Ordnung zu rufen. Auf ein deutliches
Kanzlerinnen-Wort zur Renten-Debatte, zum Endlos-Streit um das
Betreuungsgeld oder die Querschüsse aus der CSU wartete man gestern
vergebens. Allerdings: Merkel kann sich das leisten. Ihre größte
Stärke ist die Schwäche der Opposition. Die Sozialdemokraten balgen
sich um den rechten Kanzlerkandidaten. Zündende Wahlkampfthemen, mit
der sie Merkel die Kanzlerschaft abjagen könnten, haben sie nicht
vorzuweisen. Die in der Wählergunst arg dezimierten Grünen rufen gar
zu einer Urwahl des Spitzenteams auf. Merkels derzeitige
Koalitionspartner von der FDP entzünden jeden Tag eine Kerze, damit
sie es wieder in den Bundestag schaffen. Auch die Linken wissen noch
nicht, wer sie in die Wahlschlacht führt. So fällt „Mutti“ das Siegen
leicht.

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