Neue OZ: Kommentar zu Syrien

Diplomatische Heuchelei

Es klingt wie ein mittelmäßiger Witz. Sagt der eine Despot zum
anderen: Behandele dein Volk gefälligst besser.

Allein, lustig ist die Pointe nicht. Vor wenigen Wochen half
Saudi-Arabiens König Abdullah mit seinen Soldaten dem Nachbarn
Bahrain noch, den dortigen Aufstand niederzuknüppeln. Dem ehemaligen
und mittlerweile rechtskräftig verurteilten tunesischen Diktator Ben
Ali gewährt er Exil und schmettert alle Auslieferungsanträge ab.
Angesichts des Bürgerkrieges in Syrien spricht er nun plötzlich von
inakzeptablen Zuständen und fordert ein Ende der Gewalt. Das ist
diplomatische Heuchelei.

Es ist kaum zu erwarten, dass Präsident Assad auf Abdullah hört,
den er einst als „halben Mann“ beschimpft hat. Die Forderungen werden
am syrischen Diktator genauso abprallen wie die Appelle westlicher
Regierungschefs. Warum sollte er auch einlenken? Lässt Assad die
angekündigten freien Wahlen durchführen oder tritt er aus freien
Stücken zurück, droht ihm das Schicksal eines Mubarak inklusive
möglicher Todesstrafe. Reiner Selbsterhaltungstrieb dürfte ihn zum
Weitermachen bewegen.

Ein militärisches Eingreifen der NATO, die ihr Pulver in Libyen
verschießt, ist nicht zu erwarten. Was also tun? König Abdullah und
erst recht die Regierungschefs aus dem Westen sollten dem
diplomatischen Gerede der vergangenen Wochen endlich Taten folgen
lassen und strikte Handelssanktionen verhängen.

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