Dass SPD-Chef Gabriel für Überraschungen gut ist,
gehört inzwischen zum Allgemeingut. Sein Angebot an reformorientierte
Linkspolitiker, Sozialdemokraten zu werden, ist jedoch keine
Überraschung – die SPD braucht Zuwachs. Die Einladung offenbart zwar
einen Meinungsumschwung gegenüber früheren Abgrenzungsritualen, aber
Gabriels flehentlicher Ruf »Kommt zu uns, Genossen!« ist – wenn auch
im »Stern« erschienen – keine Sternstunde oder Beleg der Stärke der
SPD als vielmehr der Versuch, den Grünen zu trotzen.
Mit 21 Prozent haben die Genossen gerade in einer Umfrage – und
unabhängig von den für sie guten bis mäßigen Wahlausgängen in
Hamburg, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bremen – zurück zum
Jahrestief gefunden. Vom durch die Agenda-Politik ausgelösten
Mitgliederschwund konnten sie sich nicht erholen. Versuche, die
lädierte Partei neu zu erfinden und in der Kanzlerkandidatenfrage
auch Nicht-SPD-Mitglieder mit abstimmen zu lassen oder Hierarchien zu
verflachen, werden an der Basis mit Argwohn beobachtet. Wie auch
nicht in allen Parteigliederungen die Tatsache Beifall findet, dass
die Parteispitze alle rot-rot-grünen Überlegungen wieder in die
Schublade zurückgesteckt hat. Wenn Gabriel jetzt stattdessen bei der
LINKEN zu fischen versucht, um den eigenen Laden aufzumotzen, mag
sich mancher in der SPD fragen, ob die Spitzengenossen noch ganz bei
sich sind.
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