„Report Mainz“ deckt rechtswidrige Nottötungen in großen deutschen Schweinemastbetrieben auf / Sendung 22.10.2019, 21:45 Uhr im Ersten

Grausame Bilder zeigen: Mitarbeiter erschlagen
Mastschweine mit einem Holzprügel oder setzen Bolzenschussgerät
unsachgemäß ein

Bilder, die dem ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ von der
Tierrechtsvereinigung Animals Rights Watch e.V. (ARIWA) zugespielt
wurden, zeigen, dass in zwei großen deutschen Schweinemastbetrieben
Tiere in einem Fall mit einem Holzprügel erschlagen wurden bzw. in
anderen Fällen unsachgemäß mit einem Bolzenschussgerät lediglich
betäubt wurden. Die Tiere winden sich danach minutenlang in einem
Todeskampf.

Zum einen sind es Aufnahmen, die in einem Schweinemastbetrieb bei
Schwerin aufgenommen wurden. Zu sehen ist ein Abteil, in dem kranke
Tiere untergebracht sind. Ein Mitarbeiter betritt den Stall, hält
einen Holzprügel in Händen und schlägt damit auf ein krankes Tier
ein. Zunächst sieben Mal. Er geht, kommt wieder und schlägt noch
dreimal zu. Weil das Schwein dann immer noch lebt, holt er nach einer
halben Stunde ein Bolzenschussgerät und drückt ab. Das Tiere windet
sich daraufhin minutenlang im Todeskampf, während der Mitarbeiter
zuschaut.

Insgesamt dauert diese Tötung 35 Minuten. „In Krankenbuchten wie
dieser werden Tiere offenbar nur –abgestellt– und sich selbst
überlassen“, sagt Sandra Franz, Pressesprecherin von ARIWA. „Report
Mainz“ hat die Aufnahmen dem zuständigen Amtsveterinär Dr. Olav
Henschel zur Begutachtung vorgelegt. Sein Urteil: „Was wir gesehen
haben, stellt in der Form auf jeden Fall einen Verstoß gegen
geltendes Recht dar. Dann geben wir das von unserer Seite aus an die
Staatsanwaltschaft weiter.“

Aus Sicht des Amtsveterinärs muss nach einer Betäubung mit einem
Bolzenschussgerät unverzüglich die Entblutung erfolgen. Diese
geschieht üblicherweise durch eine Öffnung der Halsschlagader. Wird
dies unterlassen, wacht das Tier wieder aus der Betäubung auf und
erleidet grausame Schmerzen. Der Geschäftsführer des betroffenen
Unternehmens, von „Report Mainz“ mit den Vorwürfen konfrontiert,
erkannte den auf den Bildern zu sehenden Mitarbeiter wieder. Im
Interview mit „Report Mainz“ sagte er: „Da kann ich nur sagen, das
ist von uns hier jemand, der ist schon nicht mehr im Betrieb bei uns,
der ist raus. Also – dass das so vorgekommen ist, das ist nicht
alltäglich, dass das so gemacht wird. Warum das so gemacht wurde, ich
kann–s nicht sagen, ich bin auch nicht täglich im Stall. Wir haben
Verantwortliche im Stall und – das wird natürlich jetzt
durchgesprochen.“

Die Redaktion bat den Mannheimer Strafrechtler Professor Jens
Bülte um eine rechtliche Beurteilung. Er kommt zu der Einschätzung,
dass es sich bei dieser Tötung um eine Straftat handelt: „Da muss man
dann eventuell die Frage stellen, ob wir es mit einer schwerwiegenden
Tat oder mit mehreren Taten sogar zu tun haben. Bei dieser
Vorgehensweise ist es aus meiner Sicht naheliegend, dass man hier
nicht mehr über eine Geldstrafe spricht.“

„Report Mainz“ liegen auch Aufnahmen aus einem zweiten Betrieb
vor. Die Bilder zeigen kranke Schweine, die zwar mit einem
Bolzenschussgerät betäubt werden. Danach lässt sie der Mitarbeiter
jedoch minutenlang liegen, bevor er sie entblutet.

Bei der Firma handelt es sich um einen deutschen Großbetrieb aus
der Nähe von Cottbus, die Spreefa GmbH. Sie ist die Tochter eines der
größten deutschen Schweinemastproduzenten. Rund 20.000 Schweine
werden hier gehalten. Das Unternehmen antwortet schriftlich auf die
Vorhaltungen: „Mit Nottötungen beauftragte Mitarbeiter verfügen über
einen entsprechenden Sachkundeausweis und werden vor Eintritt in die
Unternehmenspraxis umfänglich in ihre Aufgaben eingewiesen. Das, was
auf den Aufnahmen zu sehen ist, entspricht nicht den
Sorgfaltskriterien und Vorgaben des Unternehmens. Dem auf den Bildern
zu sehenden Mitarbeiter wurde deshalb gekündigt; der Betriebsleiter
wurde abgemahnt.“

Professorin Elisabeth große Beilage, Fachtierärztin für Schweine,
von der Tiermedizinischen Hochschule Hannover, hat sich 2017 intensiv
mit Nottötungen befasst und derart getötete Tiere in
Tierkörperbeseitigungsanlagen untersucht. Für die breit angelegte
Studie hat sie tote Tiere aus sechs Bundesländern untersucht und
kommt zu dem Ergebnis: „Eine mangelhafte Durchführung der Betäubung
und/oder Tötung war bei 61,8% der […] Schweine festzustellen.“ Im
Interview mit „Report Mainz“ sagt sie: „Dahinter verbirgt sich, dass
sich die Tierhalter die Betäubung und/oder Tötung, das sind ja zwei
aufeinander folgende Schritte, nicht so durchgeführt haben, wie es im
Gesetz vorgesehen ist.“

Der Mannheimer Strafrechtler Professor Jens Bülte sieht vor dem
Hintergrund auch dieser Studienergebnisse dringenden Handlungsbedarf.
Er fordert, dass es zur Pflicht werden muss, jede Nottötung in Bild
und Ton zu dokumentieren und bei Zuwiderhandlungen Geldbußen zu
verhängen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium, mit diesem Vorschlag
konfrontiert, äußert sich gegenüber „Report Mainz“: „Es kommt auch
auf die tierärztlichen Befunde unmittelbar am Tier an […] Kameras
können eine Ergänzung sein, aber gewiss nicht effektive
Vor-Ort-Kontrollen ersetzen.“

Demgegenüber verweist der Mannheimer Strafrechtler auf
Vollzugsdefizite und personelle Unterbesetzungen in den
Veterinärbehörden: „Da sind wir wieder bei dem Grundlagenproblem, das
wir im Tierschutzrecht haben, dass der Vollzug sehr mangelhaft ist,
was an unterschiedlichen Gründen liegt, insbesondere an gnadenloser
Unterbesetzung aller damit befassten Behörden und Justizorganen und
ähnlichem.“

Die Tierrechtsvereinigung ARIWA hat jetzt eine Online-Petition an
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gestartet mit der
Forderung, die deutschen Tierkörperbeseitigungsanlagen zur
systematischen Dokumentation aller angelieferten Tiere zu
verpflichten, regelmäßig die tierschutzrelevanten Befunde in den
Anlagen zu erheben und die Ergebnisse dieser Erhebungen zu
veröffentlichen.

Zitate gegen Quellenangabe „Report Mainz“ frei

Bei Rückfragen rufen Sie bitte in der Redaktion „Report Mainz“ an:
06131 929-33351 oder -33352.

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