Ab Sonntag, 7. April, gedenkt Ruanda der über
800.000 Opfer des Völkermords. Selbst 25 Jahre nach den Taten lastet
dieser Genozid immer noch schwer auf der ruandischen Bevölkerung. Ein
Drittel der Bevölkerung leidet weiterhin unter posttraumatischen
Belastungsstörungen. Die gemeinnützige Organisation Handicap
International (HI) hat direkt nach dem Völkermord mit Hilfsprojekten
begonnen und hat seitdem mehr als 25.000 Betroffene psychologisch
unterstützt. Darunter ist auch Jacques, 63 Jahre und Witwer. Er hat
seine Frau und seine fünf Kinder während des Völkermords verloren und
nimmt an einer Gruppentherapie teil.
Innerhalb von 100 Tagen wurden ab April 1994 in Ruanda über
800.000 Menschen – Männer, Frauen und Kinder – getötet. Viele weitere
wurden geschlagen und gefoltert. Diese sinnlose Gewalt hinterließ
tiefe Wunden, die auch 25 Jahre danach noch nicht verheilt sind. Rund
ein Drittel der Überlebenden des Völkermords leidet seither unter
posttraumatischen Belastungsstörungen. Mehr als ein Fünftel der
Bevölkerung ist von wiederkehrenden Depressionen betroffen.
Anlässlich des Jahrestages durchleben viele Opfer erneut ihr Leid
„Im Alltag unterdrücken die Betroffenen oft ihre Traumatisierung
durch den Völkermord“, erklärt Chantal Umurungi, Koordinatorin der
Projekte für psychische Gesundheit von HI in Ruanda. „Doch während
der Phase der Gedenkmonate kommen die Erinnerungen, Gefühle und
Emotionen wieder an die Oberfläche. Die Opfer werden mit ihrem
eigenen Leid konfrontiert. Die Menschen sprechen darüber und das hat
große Auswirkungen. Es kann passieren, dass sie Panikattacken oder
den Verlust von geliebten Menschen noch einmal durchleben. Die
Nachwirkungen sind bis heute spürbar. Es ist essentiell, dass sich
die Menschen in dieser Zeit des Leids gegenseitig unterstützen. Es
ist sehr befreiend, Gefühle zu teilen.“ Jacques nimmt an den
Therapiesitzungen regelmäßig teil: „Ich bin der einzige Mann in
dieser Gruppe voller Frauen. Ich hatte keine Lebensmotivation mehr,
aber jetzt stelle ich Kleidung und traditionelle Instrumente her und
verkaufe sie anschließend auf dem Markt. Heute habe ich wieder ein
Ziel im Leben“, sagt er dankbar.
Unterstützung durch Gruppentherapien und Selbsthilfegruppen
Auch Nifwa, 35 Jahre und ehemals Prostituierte, geht es durch die
Therapie viel besser. Sie hatte während des Völkermords ihre Eltern
verloren und landete mit 12 Jahren in der Prostitution, da sie ihre
beiden kleinen Brüder versorgen musste. „Dank der Gruppengespräche
konnte ich meine Gefühle aussprechen. Das hatte ich vorher noch nie
gemacht. Seither habe ich weniger Alpträume und führe ein sozialeres
Leben. Ich arbeite auf dem Markt und verkaufe Obst und Gemüse.“
Allein im Jahr 2018 nahmen mehr als 5.800 Opfer an psychosozialen
Aktivitäten von HI teil, die ihnen helfen, die traumatischen
Erlebnisse zu überwinden. HI arbeitet vor allem mit dem Ansatz der
gemeindebasierten Therapie: Die Organisation bietet Gesprächsgruppen
an, in denen sich Menschen frei äußern und über ihre Traumatisierung
sprechen können. Die Gespräche werden von Psychologen oder
Gemeindefreiwilligen begleitet. In Selbsthilfegruppen finden sie
zudem die Kraft, gemeinsame Geschäftsideen umzusetzen, wie zum
Beispiel eine Tierzucht oder kleine Läden. Diese stärken ihr
Selbstvertrauen und ihre Eigenständigkeit.
Teufelskreis aus Gewalt und psychischen Problemen
HI kümmert sich außerdem um die indirekten Folgen des Genozids:
„Die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat auch weitere
Probleme verstärkt, zum Beispiel Drogenmissbrauch, Gewalt, riskantes
Sexualverhalten und Ehekonflikte. Das lässt Familien auch verarmen
und schwächt die sozialen Bindungen. Handicap International will
diesen Teufelskreis aus Gewalt und psychischen Problemen
durchbrechen, indem wir auch hier mit Gesprächsgruppen arbeiten.
Dadurch können Menschen ihre Gefühle mitteilen und neue Brücken
bauen“, fügt Chantal Umurungi hinzu.
Über Handicap International
Handicap International ist eine unabhängige gemeinnützige
Organisation. Sie unterstützt weltweit Menschen mit Behinderung und
andere besonders schutzbedürftige Menschen, um deren
Lebensbedingungen zu verbessern. HI hilft bei Armut und sozialer
Ausgrenzung, bei Konflikten und Katastrophen. Die Grundpfeiler ihrer
Arbeit sind Menschlichkeit und Inklusion. Auf völkerrechtlicher Ebene
kämpft die Organisation gegen die Missachtung der Menschenrechte, den
Gebrauch von Landminen und Streubomben sowie Bombenangriffe auf die
Zivilbevölkerung. Handicap International Deutschland ist Mitglied der
globalen Organisation Humanity & Inclusion (ehem. Handicap
International), das die Umsetzung der Programmarbeit verantwortet. HI
ist eines der sechs Gründungsmitglieder der Internationalen Kampagne
zum Verbot von Landminen (ICBL), die 1997 den Friedensnobelpreis
erhalten hat.
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