WAZ: Der Fall Mollath, ein Justizskandal. Kommentar von Frank Preuß

Mit dem Wort Justizskandal muss man sparsam umgehen.
Weiß Gott nicht jede Aufregung um irgendein Urteil taugt für diese
Klassifizierung. Der Fall Gustl Mollath ist ein Justizskandal. Was
der Mann aus Nürnberg ein Jahrzehnt lang ertragen musste, damit ihm
nun endlich das zuteil wird, was wir in einem Rechtsstaat für
selbstverständlich halten, nämlich ein fairer Prozess mit einer
Beweiswürdigung, das kennt man nur aus Diktaturen oder Kafka-Romanen.
Gutachter, die ihn in einer Fortschreibung als geisteskranken
Gewalttäter einstufen, ohne ihn gesehen zu haben, eine
Staatsanwaltschaft, die seinen Vorwürfen nicht entschlossen genug
nachgeht, die sich längst als wahr entpuppt haben und
Verfahrensfehler, wohin man blickt: Dass das Oberlandesgericht
Nürnberg all die Schlampereien nun endlich entdeckt, ist ja
erfreulich, aber furchtbar spät: Bayern hat dem Mann zehn Lebensjahre
gestohlen.

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