Monatelang schien es zu den zentralen
Gestaltungsaufgaben der Landespolitik zu gehören, die Dichtheit
privater Abwasserleitungen sicherzustellen. Umweltschützer,
Bürgerinitiativen, Handwerker und Hausbesitzer stritten so beherzt
über Kosten und Nutzen des „Kanal-TÜVs“, dass sich Regierung und
Opposition im Düsseldorfer Landtag einander nur ratlos die
Verantwortung für ein 17 Jahre altes Wasserschutzgesetz zuschoben.
Spät, aber nicht zu spät hat nun Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
persönlich dem unwürdigen Treiben ein Ende gesetzt. Sie wischte eine
landesweite Durchleuchtung von sämtlichen 200 000 Kilometern
privater Abwasserrohre vom Tisch. Die SPD-Politikerin entledigte sich
eines Gesetzes, das viel Ärger und überschaubaren umweltpolitischen
Nutzen versprach. Erstmals seit ihrer Wiederwahl zeigt Kraft, dass
sie sehr wohl „durchzuregieren“ versteht, wenn es um ihren Nimbus als
populäre Landesmutter geht. Nach gemächlichem Start in die zweite
Amtszeit, freundlichen Showauftritten und afrikanischen Flitterwochen
scheint ihr Herbst der Entscheidungen angebrochen. Der grüne
Koalitionspartner, der sich lange als Krafts „Antrieb“ gerierte, darf
nur betreten applaudieren. Umweltminister Remmel mag zwar auf
allerhand Fußnoten zum künftigen Umgang mit privaten Abwasserrohren
verweisen, seine politische Niederlage kaschiert das aber nur
notdürftig. Beim „Kanal-TÜV“ hat regierungsamtlicher Pragmatismus
über hundertprozentigen Grundwasserschutz gesiegt. Kraft verlässt
sich bei Straßenthemen eben lieber auf ihr feines Sensorium für die
Stimmung „normaler“ Leute als auf den vermeintlichen Expertenrat.
Motto: Spare Dir Ärger in der Zeit, dann hast Du in der (Umfrage-)
Not. Zugegeben: Bei der Dichtheitsprüfung privater Abwasserleitungen
ist es vergleichsweise leicht, sich Ärger mit zornigen Hausbesitzern
zu ersparen. Komplizierter wird es, wenn mit der Schuldenbremse echte
Probleme und harte Verteilungskämpfe auf Rot-Grün zukommen.
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