Brennende Flaggen mit dem jüdischen Davidstern,
erniedrigte jüdische Schüler auf dem Pausenhof, Gürtelschläge gegen
einen Israeli auf offener Straße. Das ist nicht Berlin 1938, das ist
Berlin 2018. Und das ist eine Schande.
Die Hauptstadt und andere deutsche Großstädte sind für Menschen,
die sich als Juden im öffentlichen Raum zu erkennen geben, zu
gefährlichen Orten geworden. Was muss eigentlich noch passieren, bis
unser Staat, also Politik und Behörden, endlich aufwacht? Muss erst,
wie gerade in Paris geschehen, eine alte jüdische Frau, die den
Holocaust überlebt hat, in ihrer Wohnung ermordet werden?
Politiker sagen, was sie immer sagen: »Wir lassen es nicht zu…«
und »Wir nehmen es nicht hin…«. Doch, genau das tun sie: Sie lassen
es zu, und sie nehmen es hin. Weil sie nicht in der Lage oder nicht
willens sind, den Judenhass von Muslimen so zu bekämpfen wie den
Judenhass von Rechtsextremen.
Josef Schuster ist ein besonnener Mann. Als Präsident des
Zentralrats der Juden wägt er seine Worte. Wenn er sagt, dass »kein
Mensch als Antisemit geboren« werde, dann wählt er einen moderaten
Ton. Aber auch Schuster weiß: In weiten Teilen der muslimischen Welt
wird der Antisemitismus nach der Geburt mit der Muttermilch
aufgesogen. Und in dieser muslimischen Welt bewegt sich mittlerweile
auch Deutschland – weil der muslimische Bevölkerungsanteil durch
Geburtenrate und Zuwanderung steigt.
Wenn Integration, wie auch immer man das definiert, in unserer
Gesellschaft gelingen und kein bloßes Wunschdenken sein soll, dann
ist der Lackmustest dafür ganz einfach zu bestehen oder eben nicht zu
bestehen: Integriert ist nur, wer den Holocaust als Teil der
deutschen Vergangenheit und die daraus resultierende Verantwortung
für jüdisches Leben und für den Staat Israel akzeptiert. Wer das
nicht tut, sollte sich ein anderes Land suchen oder in ein anderes
Land gebracht werden. Das zu fordern und durchzusetzen, trauen wir
uns nicht.
Staat und Gesellschaft haben der verbreiteten Aggressivität und
Gewaltbereitschaft muslimischer Männer und sogar Kinder nichts
entgegenzusetzen. In Kitas und Schulen werden Übergriffe verheimlicht
oder banalisiert, um keinen Ärger mit den Eltern und den zumeist
politisierten oder weltanschaulichen Trägern der Einrichtungen zu
bekommen.
Was der Angriff auf zwei junge Männer mit jüdischer Kopfbedeckung
mitten in Berlin mit dem »Echo« für die Rapper Kollegah und Farid
Bang zu tun hat? Ihre Musik liefert ganz generell den Nährboden für
Angriffe auf Juden. Und deswegen ist die Stellungnahme der
Plattenfirma BMG (Bertelsmann Music Group) von gestern nicht nur eine
Enttäuschung, sondern ein Skandal. Dass der offensichtliche Judenhass
zweier Vertragspartner mit »künstlerischer Freiheit« verteidigt wird,
hätte man dem Gütersloher Medienkonzern in dieser lapidaren Art
nicht zugetraut.
Allein die Tatsache, dass die Bertelsmann-Zentrale die
Formulierung der Verlautbarung (in englischer Sprache) den Vertretern
ihrer Musiksparte überlässt, zeugt nicht von Einsicht. Es wirkt wie
der Versuch, die unschöne Angelegenheit bei der Musiktochter zu
belassen. Dann darf man sich in Gütersloh aber auch nicht darüber
wundern, dass die BMG-Mitteilung die Lage nicht verbessert hat. Im
Gegenteil: Die Sätze machen die Sache schlimmer.
»Ohne Zweifel hätten manche Zeilen des Rap-Albums viele Menschen
tief verletzt. Auf der anderen Seite seien viele Menschen nicht so
sehr verletzt worden, so dass das Album vergangenes Jahr eines der
meistverkauften in Deutschland gewesen sei«, heißt es in der
Übersetzung des Statements. Um dieser Logik zu folgen: Rechtfertigen
also die Verkaufszahlen die anti-jüdischen Texte?
Bertelsmann steht wegen der Verbindung zu den Rappern massiv in
der Kritik, und zwar als Gesamtkonzern. Wenn sich die Musiktochter
BMG nicht zügig von Kollegah und Farid Bang trennt, steht die
Glaubwürdigkeit auf dem Spiel – vor allem in Hinblick auf das
zivilgesellschaftliche Engagement der Bertelsmann-Stiftung.
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