Armutsbericht 2018: Paritätischer korrigiert falsche Bilder der Armut und fordert neue Armutspolitik

Ein Drittel der erwachsenen Armen in Deutschland
ist erwerbstätig, jede*r vierte arme Erwachsene ist in Rente oder
Pension und nur ein Fünftel ist arbeitslos, so nur einer der vielen
brisanten Befunde des aktuellen Armutsberichts des Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes. Der Verband, für den die Paritätische
Forschungsstelle mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels (DIW)
gerechnet hat, legt mit dem Bericht eine aktuelle Bestandsaufnahme
der Armut in Deutschland vor. Ein Novum ist, dass der Bericht unter
anderem erstmals der Frage nachgeht, wer die rund 13,7 Millionen
Menschen, die in Deutschland in Armut leben, faktisch sind. Er räumt
dabei mit diversen Klischees und Vorurteilen auf. So trifft offenbar
auch die gängige Formel, Bildung allein schütze vor Armut, nicht zu:
Wie die Analyse des Paritätischen zeigt, weisen fast drei Viertel der
ab 25-jährigen Armen ein mittleres oder sogar hohes
Qualifikationsniveau auf.

„Es ist Zeit, dass populäre, aber falsche Bilder über Armut in
Deutschland korrigiert werden. Der Bericht zeigt, dass eine
Neujustierung des armutspolitischen Instrumentariums dringend nötig
ist“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen
Gesamtverbands. Mit Blick auf den hohen Anteil Erwerbstätiger (33,2
%) und Rentnerinnen und Rentner (24,8 %) unter der Gesamtheit der
erwachsenen Armen sei es fatal, dass die Politik regelmäßig auf die
vergleichsweise unterdurchschnittlichen Armutsrisikoquoten dieser
Bevölkerungsgruppen verweise und das Problem der Altersarmut und der
Armut trotz Arbeit herunterzuspielen versuche. „Angesichts der
vorliegenden Daten gibt es keinerlei Entschuldigung mehr für ein
Nichtstun oder für Unzulänglichkeiten in der Bekämpfung von Armut im
Alter und bei Erwerbstätigen“, so Schneider. Armut trotz Arbeit sei
dabei entgegen der weit verbreiteten Annahme keinesfalls
hauptsächlich ein Problem von Minijobs, so ein weiterer Befund.
„Minijobber machen nur etwas mehr als ein Viertel der erwerbstätigen
Armen aus. Die ganz überwiegende Mehrheit ist mehr als nur
geringfügig tätig und 41 Prozent sind sogar voll erwerbstätig. Armut
geht jedoch vergleichsweise oft mit befristeter Beschäftigung und
Zeit- bzw. Leiharbeit einher“, erläutert Schneider.

Der Armutsbericht des Paritätischen enthält weiterhin auch Befunde
zur „klassischen Betrachtung“ von Armut, die bestätigen, dass
insbesondere Arbeitslose, Alleinerziehende, Menschen mit geringem
Qualifikationsniveau und Menschen mit Migrationshintergrund
überdurchschnittlich oft von Armut betroffen sind. Dass hier auch
nach Jahren aller politischen Absichtsbekundungen zum Trotz keine
Verbesserung erkennbar ist, sei ein „politischer Skandal“, so der
Verband. Insbesondere die Kinderarmut ist laut Paritätischem
Armutsbericht anhaltend und alarmierend hoch: Nicht nur jedes fünfte
Kind in Deutschland lebt in Armut, sondern auch jeder fünfte arme
Mensch in diesem Land ist ein Kind. Wie die Analysen der
Paritätischen Forschungsstelle zeigen, steigt bei Alleinerziehenden
dabei das Risiko der Einkommensarmut, desto jünger die Kinder sind:
Weit über die Hälfte (56%) der Alleinerziehenden mit zwei und mehr
Kindern unter 15 Jahren, leben in Armut.

Angesichts der Befunde fordert der Paritätische eine Neujustierung
der Armutspolitik, die künftig deutlich breiter verstanden und
ausgerichtet sein müsse. „Die Bekämpfung von Kinderarmut und
insbesondere der Armut unter Alleinerziehenden, Arbeitslosen und
Migranten ist mitnichten obsolet oder zweitrangig. Klar ist jedoch
auch: Die armutspolitische Agenda muss deutlich breiter werden. Armut
wird niemals in der Breite bekämpft werden können, ohne entsprechende
Reformen in der Alterssicherung, ohne eine anspruchsvolle
Arbeitsmarkt- und Mindestlohnpolitik und ohne einen
Familienlastenausgleich, der arbeitende Eltern zuverlässig vor Armut
schützt“, fordert Schneider.

Für das kommende Frühjahr kündigt der Paritätische einen großen
Armutskongress an, der gemeinsam mit DGB, AWO und Nationale
Armutskonferenz ausgerichtet und von zahlreichen Organisationen
unterstützt wird.

Mehr Informationen unter: www.der-paritaetische.de/armutsbericht

Pressekontakt:
Gwendolyn Stilling,Tel.030/24636305,E-Mail:pr@paritaet.org

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