Es gibt Menschen, die feiern den Welttoilettentag.
Anderen ist das Tanzen, das Knuddeln oder auch die Zahl Pi einen
Gedenktag wert. Es gibt einen Welttag der Poesie, der Hauswirtschaft,
des Datenschutzes, ja sogar der veganen Ernährung. Auch so ziemlich
jede Krankheit und jedes menschliche Organ kann einen eigenen Tag für
sich verbuchen: der Kopfschmerz, die Tuberkulose, die Leber, die
Niere. Und heute: Heute sind die Frauen dran. Genau 100 Jahre ist es
her, dass die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz
auf Vorschlag von Clara Zetkin die Einführung eines jährlichen
Frauentags beschloss. Damit hat der Weltfrauentag eine beeindruckend
lange Tradition. Doch sie schützt ihn nicht davor, dass ihn so
manche(r) schmunzelnd oder achselzuckend abtut. Zugegeben: Gedenktage
wirken oft konstruiert und zwanghaft, gerade, wenn sie keinen
persönlichen Hintergrund haben wie etwa ein Hochzeitstag. Auf
Knopfdruck soll man sich erinnern, demonstrieren, feiern, schenken.
Und manchmal muten sie eben auch absurd an. Wozu, um Himmels Willen,
sollte man der Toilette gedenken? Des Knuddelns? Der Frauen? Es gibt
zwei gute Gründe: Wer ein WC besitzt, ein liebevolles Umfeld und alle
Rechte und Chancen dieser Welt, kann den Tag nutzen, dafür dankbar zu
sein. Und wer dies alles nicht hat, kann sich dafür einsetzen, dass
er – und seine Mitmenschen – es bekommen. So wie die kämpferischen
Frauen vor 100 Jahren, die für Gleichberechtigung und das Wahlrecht
stritten. Auch hier und heute gibt es noch viele Bereiche, in denen
das weibliche Geschlecht benachteiligt ist. Die Diskussion um die
Frauenquote hat es gerade wieder vor Augen geführt. Frauen schaffen
die besseren Abschlüsse, aber es sind die Männer, die mehr Geld
verdienen und die Chefetagen besetzen. Der Weltfrauentag ist eine
Gelegenheit, auf solche Ungleichgewichte aufmerksam zu machen, die
nicht zuletzt ökonomisch nachteilig sind. So nimmt der Deutsche
Gewerkschaftsbund den Weltfrauentag zum Anlass, Lohngerechtigkeit
anzumahnen. Der Deutsche Städtetag fordert, die Zahl der Frauen in
Führungspositionen zu erhöhen. Die Nationale Armutskonferenz macht
zum 8. März darauf aufmerksam, dass Frauen überproportional von Armut
betroffen sind, während die Deutsche Vermögensberatung dafür wirbt,
dass Frauen ihre Versorgungslücken schließen. Auch wenn nicht alle
Forderungen uneigennützig sind: Sie haben einen unanfechtbar ernsten
Hintergrund. Das gilt auch für die Aufrufe, die international tätige
Verbände und Organisationen zum Weltfrauentag starten. Etwa das
katholische Hilfswerk Misereor, das die hohe Müttersterblichkeit in
Entwicklungsländern und die menschenrechtsverletzende
Genitalverstümmelung anprangert, oder die Hilfsorganisation Care, die
mehr Initiativen gegen sexuelle Gewalt fordert. Ein Gedenktag erfüllt
seinen Zweck, wenn viele Menschen versuchen, ihn mit Inhalt zu
füllen. Dann mag er zwar immer noch verordnet sein, aber er ist dann
nicht mehr albern oder überflüssig, sondern nützlich. Das gleiche
gilt für Quoten. Her also mit dir, Frauenquote. Es ist genug des
Ge-Denkens und Be-Denkens: Jetzt darf gehandelt und die Quote gewagt
werden. Und: Weiter so mit dir, Weltfrauentag. Denn mal ehrlich:
Manchmal ist er einfach gut, so ein Anstoß von außen.
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