Die Männer kommen und gehen, Merkel bleibt bestehen.
So war es bisher immer. Und vielleicht kommt der Bundeskanzlerin
gerade auch nur wieder einer abhanden, der eben aus weicherem Holz
war als sie. Und, was soll–s, war er denn nicht selbst schuld, dieser
Guido Westerwelle, der Lautsprecher, dem die Realität den Saft
abgedreht hat? Auf den ersten Blick wird Merkel jetzt stärker.
Immerhin war Westerwelle zwar kein Kanzler-, aber ein
Bedeutungsrivale. Das wird man von Philipp Rösler lange nicht sagen
können. Nicht nur, weil dessen erster Tag als Westerwelle-Erbe
gestern mit der demütigenden Erfahrung begann, zu kraftlos zu sein,
um den Kabinettskollegen Brüderle beiseiteräumen zu können. Sondern
auch, weil die Liberalen auf längere Zeit mit sich selbst zu tun
haben werden. Der heraufziehende Richtungsstreit zwischen Links- und
Ordoliberalen ist der erste Kollateralschaden von Westerwelles
Rückzug. Auf den ersten Blick kann es Merkel gleichgültig sein, ob
die FDP strauchelt oder sich gar zerlegt. Denn sie selbst wird übrig
bleiben, oder? Folgt man dieser Lesart, dann ist völlig gleichgültig,
wofür eine Regierung noch steht. Entscheidend ist, dass es eine
Regierung gibt. Schwarz-Gelb ist sie länger schon nicht mehr. Ist
good governance, das bessere Regieren, diese bürgerliche Tugend, noch
ein Kennzeichen dieser Regierung? Angesichts einer von einem
beliebten PR-Akrobaten schlampig vorbereiteten Fundamentalreform der
Bundeswehr? Angesichts eines hastigen Ausstiegs aus dem
Wiedereinstieg, bei dem einem Verfassungsorgan, dem
Bundestagspräsidenten, nichts anderes übrig blieb, als einem anderen
Verfassungsorgan, der Kanzlerin, öffentlich zu widersprechen?
Angesichts der nonchalanten Verletzung des Markenkerns Westbindung
(Libyen). Angesichts der, nun ja: Wortbrüche bei der Euro-Rettung
(Griechenland nicht helfen)? Auf den ersten Blick spielt das für
Merkel keine Rolle. Sie ist Kanzlerin, von was auch immer. Die
konservative FAZ hat nachgedacht, was das wohl für eine Regierung
ist, die macht, was Merkel tut. „Es handelt sich um eine rot-grüne
Minderheitsregierung, die sich (…) von der Linkspartei tolerieren
lässt.“ Fazit: Auf den ersten Blick hat Merkel nur Westerwelle
verloren. Tatsächlich ist aber ihr wichtigster Kompagnon futsch. So
werden wir Zeuge eines Experiments. Wie man, als nach allen Seiten
offener Moderations-Regierungschef, Deutschland im Quasi-Alleingang
durchwuselt.
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