Noch vor 14 Tagen hätten SPD und Grüne den
ersten Geburtstag ihrer Minderheitskoalition in NRW als Feiertag
inszeniert. Stolz hätten sie darauf verwiesen, dass sie trotz
fehlender eigener Mehrheit wichtige Vorhaben aus Koalitionsvertrag
und Regierungserklärung abgearbeitet oder auf den Weg gebracht haben.
Und sie hätten daran erinnert, dass sie im ersten Regierungsjahr
keine Abstimmung im Plenum des Landtags verloren haben. Mal sorgte
die CDU, meist die Linken dafür, dass es für die rot-grünen Vorhaben
eine Mehrheit gab. Der 30. Juni markiert einen tiefen Einschnitt in
diese Erfolgsgeschichte. An diesem Tag verloren SPD und Grüne eine
ausgesprochen wichtige Abstimmung zur Zukunft der WestLB, so wichtig,
dass das Nein des Landtags Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte
hatte und das Bundesfinanzministerium an die in dieser Frage
verbohrte NRW-CDU appellierte, zur Vernunft zu kommen. Die Niederlage
zeigt die Grenzen der Handlungsfähigkeit der Minderheitsregierung
auf. Die Linken konnten nicht mitmachen, die Schwarzen wollten nicht,
und damit waren Rote und Grüne mit ihrem Latein am Ende. Der
Wortbruch des SPD beim Fairnessabkommen und die unglaubwürdigen
Einlassungen ihres Fraktionschefs Norbert Römer haben die eigentliche
Dramatik dieses Tages überlagert. Der erste Schicksalstag für
Rot-Grün war der 15. März. An diesem Tag erklärte das
Landesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt 2010 für
verfassungswidrig und löste damit ein Umdenken in der
Haushaltspolitik der Landesregierung aus. Um eine weitere
vernichtende Niederlage vor dem Gericht zu vermeiden, wurde plötzlich
über Sparen und Kürzungen geredet, was bis dahin eher verpönt war.
Die rot-grüne Koalition hat in ihrem ersten Jahr trotz der fehlenden
Mehrheit einiges geschafft. Zahlreiche Reformen der schwarz-gelben
Vorgänger wurden zurückgedreht, von den Studiengebühren über ein
Tariftreuegesetz bis zum Stichentscheid bei den Bürgermeisterwahlen.
Aber die eine zur Mehrheit fehlende Stimme wird immer mehr zu einer
kaum zu bewältigen Last für Rot-Grün. Das hat sich bei der Niederlage
in der WestLB-Abstimmung gezeigt, das wiederholt sich jetzt beim
Kampf um das Schulgesetz. Die Gemeinschaftsschule, ein
Lieblingsprojekt von SPD und Grünen, muss gesetzlich abgesichert
werden. Sinnvoll und notwendig ist dafür die Zustimmung der CDU, die
dazu auch grundsätzlich bereit ist, jetzt aber ihre Machtposition
ausnutzt und die auf Eile drängende Koalition zappeln lässt. Bislang
hat sich Rot-Grün mit Glück und Geschick durch das erste
Regierungsjahr geschlängelt, in den letzten Wochen ist sie von beidem
verlassen. Jetzt bewahrheitet sich, was die SPD-Vorsitzende Hannelore
Kraft gesagt hat, bevor sie von den Landes-Grünen und Bundes-Roten in
das Abenteuer einer Minderheitsregierung hineingeredet wurde: NRW
braucht eine stabile Regierung und darf nicht von Zufallsmehrheiten
abhängig sein. Damit hat sie recht.
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