„Die Bundesregierung hat damit begonnen,
Asylbewerber einem kalten, unpersönlichen Anhörungsverfahren per
Videokamera auszusetzen. Damit untergräbt sie die gebotene
Sensibilität solcher Anhörungen und gefährdet den Schutz der
Antragsteller“, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion
DIE LINKE, Ulla Jelpke, zur Antwort der Bundesregierung auf eine
Kleine Anfrage der Fraktion. Jelpke weiter:
„Unpersönliche Befragungen mit Hilfe von Videokonferenztechnik
sind keine Ausnahmeerscheinung mehr. Seit November 2010 gab es 140
solcher Anhörungen, bei denen Asylsuchende nicht mehr von Angesicht
zu Angesicht, sondern –im Wege der Bild- und Tonübertragung– zu ihrem
Verfolgungsschicksal befragt werden. Die Praxis wird bislang in
Dortmund, Braunschweig, Friedland und Bielefeld angewandt.
Die Bundesregierung setzt einseitig darauf, das Personal des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge effizient einzusetzen und
vernachlässigt dabei das Schicksal der Asylsuchenden. Die
Rechtsauffassung der Bundesregierung, eine persönliche Anhörung, auf
die Asylsuchende einen Anspruch haben, verlange –nicht die
gleichzeitige Anwesenheit der Beteiligten im selben Raum–, halte ich
für höchst wacklig.
Schlimmer noch ist, dass die Bundesregierung nicht einmal im
Ansatz erkennt, dass es bei einer Anhörung von Asylsuchenden in einem
fremden Land einer vertrauensvollen Atmosphäre bedarf, in der sich
die Betroffenen mit allen persönlichen und unter Umständen sehr
intimen Details öffnen können sollen. Dem entspricht es nicht, wenn
sie solche Erklärungen in den leeren Raum hinein sprechen sollen.
Unter solchen Umständen werden traumatisierte Personen oder
vergewaltigte Frauen noch weniger in der Lage sein, ihre Verfolgung
zu schildern. Die Bundesregierung verweigert bezeichnenderweise
zugleich ein sogenanntes Screening vor dem eigentlichen
Asylverfahren, mit dem besonders schutzbedürftige Asylsuchende
frühzeitig identifiziert werden könnten, um ihren besonderen
Bedürfnissen gerecht werden zu können.
Es darf nicht sein, dass Personalnöte beim Bundesamt zur Aufgabe
eines sorgsamen Asylverfahrens führen. Erst vor wenigen Wochen wurde
mit schönen Worten der 60. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention
gewürdigt. Die Praxis der Videoanhörung ist vor diesem Hintergrund
erst recht beschämend und muss sofort beendet werden.“
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Hendrik Thalheim
Pressesprecher
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