Als Horst Köhler nach ein paar kritischen
Bemerkungen das höchste Amt im Staat wegwarf wie ein altes Hemd,
hagelte es Kritik, der Mann halte wohl nichts aus. Zumindest diesen
Vorwurf muss sich Christian Wulff nicht machen lassen. Er hält viel
aus. Und er bleibt seinem eigenartigen Stil treu: Allem Kritischen
ausweichen, aber sich halbherzig entschuldigen. Dass er zugleich ARD
und ZDF zum Staatsfunk adelt und die Medien, die seine Affäre ans
Licht der Öffentlichkeit zerrten, nämlich die Presse, ausschloss,
kann in diesem Zusammenhang vielleicht als die vom Präsidenten
angekündigte „Neuordnung“ seines Verhältnisses zu den Medien
verstanden werden. Souveränes Handeln geht anders. Jedenfalls: Ein
Befreiungsschlag war dieses Interview nicht. Wulff darf aus
taktischen Gründen Bundespräsident von Angela Merkels Gnaden bleiben.
Das ist sehr praktisch für die schwarz-gelbe Koalition. Und das Land
wird sich daran gewöhnen, dass zumindest für die nächsten vier Jahre
das Wort des Bundespräsidenten kein besonderes Gewicht haben wird.
Sarkastisch formuliert möchte man zusammenfassen: Bei Banken kennt er
sich offenbar besser aus, als vermutet. Von der Pressefreiheit
scheint er dagegen keine Ahnung zu haben. Der Rest ist
Fassungslosigkeit.
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Rhein-Neckar-Zeitung
Dr. Klaus Welzel
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