Die Bundeskanzlerin vermag aus Fehlern zu lernen.
Jedenfalls versucht sie nicht zum dritten Mal, einen Kandidaten ihrer
Wahl als Präsidenten durchzudrücken. Schließlich ging das schon
zweimal schief. Erst trat Köhler vorzeitig zurück, dann Wulff.
Jetzt soll zusammen mit der Opposition ein gemeinsamer Kandidat
gesucht werden – sozusagen eine Art Super-Gauck. Das ist ein
Fortschritt und das richtige Signal. Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler
Joachim Gauck galt vielen schon vor zwei Jahren als der bessere
Kandidat – und auch diesmal gilt er wieder als präsidiabel. Doch auf
wen auch immer die Große-Präsidenten-Koalition sich schließlich
einigt, es sollte jemand sein, der über den Parteien steht und
Vertrauen zurückgewinnen kann. Denn davon ist in den vergangenen
Wochen jede Menge verloren gegangen.
Tiefe Spuren hat Wulff nicht hinterlassen, dazu war seine Amtszeit
zu kurz und zum Schluss zu belastet. Doch sein Einsatz für mehr
Integration, für ein offenes Deutschland sollte in Erinnerung bleiben
– und nicht mit Wulff in der Versenkung verschwinden. Hier gibt es
noch viel zu tun.
Vor zwei Monaten hätte es noch ein Rücktritt in Würde sein können,
einer aus der Überzeugung heraus, dass politische Verantwortung ein
Wert an sich ist. Diesen Zeitpunkt hat Christian Wulff jedoch
verpasst. Zu lange blieb er uneinsichtig, zu lange verharmloste er
seine Verfehlungen, zu lange klammerte sich ans Amt, das er längst
nicht mehr unbelastet und unbefangen ausüben konnte. Gestern hatte er
gar keine andere Wahl mehr – ein Bundespräsident, dessen Immunität
aufgehoben und gegen den ermittelt wird, ist in dieser Republik zum
Glück schlicht nicht vorstellbar.
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