Nein, ein Aufbruch war das nicht. Das zu
hochgesteckte Ziel des Katholikentages wurde verfehlt. Die Zaghaften
und die Zornigen, die Ängstlichen und die Überforschen haben sich
gegenseitig blockiert und dem Glaubenstreffen auf diese Weise einen
Teil seiner denkbaren Wucht genommen. Dazwischen feierten die
Fröhlichen ein Fest, das die unruhigen Strömungen unter der
Oberfläche verdeckte. Man treffe sich hier nicht zum Parteitag, hatte
der gastgebenden Erzbischof Robert Zollitsch zum Auftakt gemahnt. Er
behielt recht, aber anders als gedacht. Es wurde ein
„Multi-Parteien-Tag“ des Katholizismus in Deutschland. Mannheim, das
wegen seines rasterförmig aufgeteilten Zentrums auch Stadt der
Quadrate genannt wird, bot dafür die geradezu passgenaue Kulisse. Das
Glaubensvolk teilt sich in der Heimat des Papstes nicht nur in die
großen Blöcke der so genannten Konservativen und Liberalen, sondern
in viele kleine Gruppierungen. Fronten verlaufen selbst zwischen
Laienorganisationen. Das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) als
Veranstalter wurde von kirchenkritischen Gruppen des alternativen
Katholikentages mindestens genauso hart kritisiert, wie vom Hardliner
unter den Bischöfen, dem Kölner Kardinal Joachim Meisner. Dieser
hatte zum Auftakt eine verletzende Grußbotschaft geschickt, um dann
Richtung Jerusalem abzureisen. ZdK-Vorsitzender Alois Glück, ein
Diplomat in Glaubenssachen, gilt den Kritikern als Weichei, weil er
seine klaren Positionen zu selten in Schärfe formuliert. Ein
unnötiger Affront gegen einen Glaubensbruder, der mit seiner Politik
der kleinen Schritte nicht minder hartnäckig für Reformen in der
Kirche kämpft. Katholikentagsgäste, die das Zweite Vatikanische
Konzil feierten, das vor 50 Jahren viel frischen Wind brachte, wurden
von den Kirchenkritikern mit einer Mahnwache empfangen. Das geht zu
weit, auch wenn Zorn und Bitterkeit der Protagonisten von
Organisationen wie „Wir sind Kirche“ teilweise verständlich sind. In
Mannheim hatten sie im offiziellen Part kaum Platz. In der
evangelischen Johannis-Kirchen fanden sie Unterkunft, weit ab vom
Zentrum des Geschehens. Doch gerade wer Polarisierungen in der Kirche
beklagt, sollte sie nicht selbst verstärken. Helmut Schüller,
Pfarrerrebell aus Österreich, forderte in der Johannis-Kirche eine
Art Grundrechtskatalog für Gläubige bei Debatten über konfliktreiche
Themen. Der Verhaltenskodex müsste dann allerdings für alle Seiten
verpflichtend sein. Denn ob Konservative oder Liberale: Sie muten
einander wechselseitig einiges zu. Auch die Bischöfe, die anders als
Meisner nach Mannheim kamen, brauchten ein dickes Fell. Die Lieblinge
des Katholikentages, die den meisten Beifall bekamen, waren zumeist
die Anderen. Daran haben die Oberhirten selbst ihren Anteil:
Reformwünsche werden manchmal zu schnell mit Verweis auf den Gehorsam
gegenüber Gott und der Heiligen Schrift abgewiesen. So richtig es
ist, dass sich nicht jeder seinen Gott backen kann: Die Bischöfe
müssen sich selbstkritisch fragen, ob hinter manchem Nein nicht auch
nur Scheu vor Veränderungen steckt. Trotz der Konfliktfelder unter
der heiteren Katholikentags-Oberfläche und obwohl bei rund 1200
Veranstaltungen vielfach längst bekannte Positionen ausgetauscht
wurden: Mannheim war wichtig – auch ohne großen Aufbruch, auch ohne
Ruck durch Deutschland. Es wurde nicht Geschichte geschrieben, aber
viele kleine Anstöße gegeben, die in den Gemeinden Langzeitwirkung
entfalten können. Dort also, wo täglich ein kleiner Aufbruch
passieren kann.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de