Lausitzer Rundschau: Zum Ausgang der Parlamentswahl in der Ukraine

Die Parlamentswahl in der Ukraine hat keine
Entscheidung über das Schicksal des Landes gebracht. Zunächst bleibt
abzuwarten, wie sich die direkt gewählten Kandidaten verhalten
werden. Sie stellen die Hälfte aller Abgeordneten und gelten als
potenziell käuflich. Ohnehin verfügt das Parlament über wenig Macht.
In der Ukraine hat auch künftig der umstrittene Präsident Viktor
Janukowtisch das Sagen – zumindest bis zum Ende seiner Amtszeit 2015.
Vom Urnengang am Sonntag bleibt deshalb vor allem ein gefühlter
Triumph der Opposition zurück, die trotz der skandalösen Inhaftierung
ihrer Frontfrau Julia Timoschenko einen starken Wahlkampf geführt
hat. Verantwortlich dafür war vor allem ein Mann: Vitali Klitschko.
Der Box-Weltmeister beschwor mitreißend eine bessere, eine
europäische Zukunft für die Ukraine. Doch die Bürger trauten dem
Neuling offenbar noch nicht zu, sich im Polit-Ring durchsetzen zu
können. Für Klitschko gilt nach der Enttäuschung deshalb erst recht,
was auf die gesamte Opposition zutrifft: Der Kampf beginnt erst.
Klitschko wird sich nun in den Mühlen der Parlamentsarbeit beweisen
müssen. Deren ungeschriebene und oft undurchschaubare Regeln kennt er
kaum. Es ist nicht ausgeschlossen, dass seine Mitstreiter über kurz
oder lang den Lockrufen und dem Druck der korrupten Staatsmacht
erliegen. Zerfällt seine Fraktion, könnte Klitschko im kommenden Jahr
die letzte Ausfahrt nehmen und erneut für seinen Traumjob als
Bürgermeister von Kiew kandidieren. Nur wenn der Champion es schafft,
die eigenen Reihen dauerhaft zu schließen, hat er eine politische
Zukunft. Die entscheidende Präsidentenwahl im Jahr 2015 ist noch weit
weg. Die entscheidenden Probleme der Ukraine dagegen stehen heute auf
der Tagesordnung. Sie lassen sich in der Frage zusammenfassen: Wohin
steuert das Land zwischen Ost und West? Brüssel und Kiew haben ein
Assoziierungsabkommen unterzeichnet. Ziel ist eine enge politische
und wirtschaftliche Anbindung der Ukraine an die EU. Wünschenswert
wäre das. Die Sache hat jedoch einen Haken. Janukowitsch baut sein
Land in einen autoritären Staat um. Das zeigten die Berichte über
Manipulationen vor und während der Wahl, obwohl sich Janukowitsch in
der Kiewer Machtarithmetik eine völlig freie Wahl hätte leisten
können. Weit schlimmer ist, dass Timoschenko und zwei Dutzend
Oppositionelle nach Unrechtsurteilen in Haft sitzen. Zugleich sind
zahlreiche Gesetze in Arbeit, die mit den demokratischen Werten des
Westens nicht in Einklang zu bringen sind. Die EU hat die
Parlamentswahl zum Lackmustest für die ukrainische Demokratie
erklärt. Diese Prüfung hat Janukowitsch nicht bestanden.

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