Die SPÖ kann sich bei Michael Häupl bedanken. Der
Wiener Bürgermeister hat seiner Partei das Referendum zur Wehrpflicht
in einem Interview mit der Kronen Zeitung eingebrockt. Gemessen an
Häupls eigenem Zitat, Wahlkämpfe seien Zeiten „fokussierter
Unintelligenz“, war es ziemlich unintelligent, dieses Wochenende –
diesmal im Kurier – die nächste Volksbefragung anzukündigen: zum
Thema Schule. Würde diese Methode tatsächlich Schule machen, könnte
man auf eine Regierung gleich verzichten und alle Themen, über die
sich die Koalition nicht einig werden kann, ans Volk zur
Streitschlichtung delegieren.
Für die SPÖ ist das Ergebnis der Volksbefragung ein selbst
verschuldetes Handicap zum Auftakt des sogenannten Superwahljahres.
Die SPÖ konnte ihren Positionswechsel in der Frage der Wehrpflicht
nicht schlüssig erklären. Zwar hatte auch die ÖVP ihre Haltung ins
Gegenteil verkehrt. Aber die führenden ÖVP-Politiker schafften es,
geschlossen aufzutreten. Die SPÖ-Spitze konnte nicht einmal alle
Landeshauptleute überzeugen. Salzburgs Landeshauptfrau Gabi
Burgstaller scherte aus, der Steirer Franz Voves verbat sich
ebenfalls den Werbebrief von Parteichef Werner Faymann. Eine nicht
unwesentliche Rolle spielten auch die einflussreichen älteren
Sozialdemokraten, für die die Neutralität unabdingbar ist und die
diese mit der Wehrpflicht verknüpft sehen. Diese Position vertritt
auch Bundespräsident Heinz Fischer.
Wer selbst nicht überzeugt ist, kann nicht überzeugen: Das trifft
vor allem auf Norbert Darabos zu. Der in den vergangenen Monaten vor
allem mit Selbstverteidigung beschäftigte Minister erklärte am
Sonntag, er wolle weiter im Amt bleiben. Auch schon egal: Denn bis
zur Nationalratswahl sind es nur noch acht Monate. Er läuft ohnehin
bereits seit längerem als „lame duck“ herum. Darabos muss als
Minister nach den Eurofightern künftig eine weitere Position
vertreten, gegen die er öffentlich aufgetreten ist.
Die Chance auf einen Rückzug mit erhobenem Haupt hat Darabos nicht
zum ersten Mal verpasst. Nicht einmal die eigene Truppe hat noch
Respekt vor diesem Ressortchef. Aber Mitleid ist kein Gradmesser für
Erfolg in der Politik.
Jetzt ist die ÖVP am Zug, die vor der Volksbefragung keinen Plan
vorgelegt hat, wie sie die von ihr versprochene höhere Attraktivität
des Wehrdienstes schaffen will. Im Gegensatz zur SPÖ hat es die ÖVP
jedoch geschafft zu mobilisieren. Die Wahlbeteiligung war höher als
von Meinungsforschern noch am Samstag vorhergesagt. Der demografische
Faktor hat der ÖVP geholfen: Pensionisten sind die größte
Wählergruppe, weniger reformbereit und gehen häufiger zur Wahl.
Aufgegangen ist auch die Stimmungskampagne der ÖVP, die die
drohende Abschaffung des Zivildienstes und der Katastrophenhilfe in
den Mittelpunkt stellte. Dieses auf Emotionen setzende Konzept war
stringent.
Zu den Gewinnern zählt Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin
Pröll, der seinem Parteichef Michael Spindelegger den Schwenk in
Richtung Volksbefragung verordnete. Der VP-Politiker wird das
Ergebnis als Startrampe in seinem Wahlkampf nutzen.
Auch wenn Häupl auf Nachfrage im ORF sagte, er trage eine
Mitverantwortung für diese Volksbefragung: Eigentlich wäre eine
Entschuldigung bei seinen Parteifreunden fällig, dass er dieses
Eigentor verursacht hat.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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