Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Seehofer (CSU)

Horst Seehofer ist in seinem Element. Jede Woche
ein neues Thema und immer neue Schlagzeilen. Sind Angela Merkel
Marktplätze und Marktschreierisches ein Graus, lebt der CSU-Chef im
Wahlkampf erst so richtig auf. Die Aussagen des bayerischen
Ministerpräsidenten haben von jeher eine kurze Halbwertszeit, aber in
Zeiten des Stimmenfangs ist Seehofer vollkommen unberechenbar. Für
den politischen Gegner – und für das eigene Lager. Es lebe der
Populismus! Alles ist möglich und nichts zu plump, wenn es einen bloß
im Gespräch hält. Erst die Idee mit der Pkw-Maut nur für Ausländer,
jetzt die Forderungen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz zugunsten
konventioneller Energieträger umzubauen und den Länderfinanzausgleich
neu zu regeln. Und das alles versehen mit der unverhohlenen Drohung,
dass es andernfalls eben nichts werde mit einer neuen Bundesregierung
aus CDU, CSU und FDP. Es braucht wohl diese Seehofersche Mischung aus
Selbstbewusstsein und Selbstgefälligkeit, um mögliche
Koalitionsverhandlungen zwischen Union und Liberalen schon
durcheinander zu bringen, noch bevor klar ist, ob es überhaupt welche
geben kann. Aber das ficht den CSU-Chef nicht an. Für Seehofer kommt
immer erst Bayern und dann der Bund. Zuletzt hat er das bei der
Durchsetzung des Betreuungsgeldes eindrucksvoll bewiesen. Nun hat er
in gewisser Weise sogar Recht, denn eine Woche vor der Bundestagswahl
wird ja in München ein neuer Landtag gewählt. Da muss auch die CDU
ein überragendes Interesse haben, dass die CSU ihre Macht verteidigt
(oder gar ausbaut). So machen Merkel und Co. gute Miene zu Seehofers
Spiel. Denn das Ergebnis in Bayern kann für den Endspurt im Bund
entscheidend sein. Gewinnt Schwarz-Gelb in München erneut, würde das
dem Regierungslager in Berlin einen kräftigen Motivationsschub geben.
Und die Lage im Bund ist sicher nicht so komfortabel, dass Merkel
darauf verzichten könnte. Mag schon sein, dass es für Rot-Grün allein
am Ende nicht reicht, doch sehen alle Umfragen nahezu ein Patt
zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün. Kommt es so am Wahltag, ist
nur ausgeschlossen, das etwas ausgeschlossen ist. Mit anderen Worten:
Noch ist gar nichts entschieden. Die Kanzlerin weiß das nur zu gut
und schlussfolgert im besten Wahlkampfsprech: »Es kommt auf jede
Stimme an.« Also erst recht auf die aus Bayern – Seehofer hin,
Seehofer her. So viel Populismus steckt in jedem erfolgreichen
Politiker – und bestimmt auch in Angela Merkel. Was das nun heißt?
Erst einmal, dass man sich bis zur Wahl in Bayern noch auf so manchen
forschen Vorschlag des CSU-Chefs gefasst machen muss. Was aus denen
dann wird, ist eine andere Frage. Und was im Koalitionsvertrag der
neuen Bundesregierung steht, übrigens auch. Ob Horst Seehofer den
auch unterschreiben würde, hingegen nicht. Das steht nämlich fest. So
berechenbar ist sogar er.

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