Westdeutsche Zeitung: Das Drama von Lampedusa muss Konsequenzen haben = Von Lothar Leuschen

Zurück zur Tagesordnung – das geht nun nicht
mehr. Die Bilder des Grauens vor der italienischen Insel Lampedusa
brennen sich ins Hirn. Die Vorstellung, dass drei Monate alte
Säuglinge ertranken, weil deren verzweifelte Eltern in einer neuen
Welt endlich ihr Glück finden wollten, verbietet es, auch dieses
Flüchtlingsdrama nach ein paar Stunden der Anteilnahme zu den Akten
zu legen. Es schreit vielmehr danach, sich aufzuregen und Antworten
zu fordern. Italien hat gestern versucht, eine erste Antwort zu
geben. Aber bei näherer Betrachtung macht die dortige Politik nur
das, was sie in der Flüchtlingsfrage bisher immer gemacht hat. Sie
verweist – zurecht – darauf, dass die Afrikaner nicht die Grenze
Italiens illegal überschreiten, sondern die Grenze Europas. Ebenso
verständlich ist die Forderung, dass Europa sich stärker als bisher
auch an den Kosten für Auffanglager und Grenzschutz beteiligen soll.

Aber damit werden wieder einmal nur die Symptome behandelt, nicht
jedoch die Ursachen. Afrika ist seit Jahrzehnten ein Kontinent im
Umbruch. Politische und religiös bedingte Machtkämpfe werden mit
Waffen ausgefochten. In der Folge sind Millionen von Menschen auf der
Flucht. Für die meisten Flüchtlinge ist Europa das gelobte Land und
ein Synonym für Wohlstand, soziale Sicherheit, Frieden. Daran können
auch die Hunderte von Toten nichts ändern, die jetzt noch in dem
Wrack in 40 Metern Tiefe vor Lampedusa liegen. Schon bald werden neue
Flüchtlingsboote in See stechen und Italiens Küste ansteuern.

Aus diesem Grund muss Europa den Blick endlich auch abseits
wirtschaftlicher Interessen nach Afrika richten. Es gilt, politisch
Einfluss zu nehmen auf ehemaligen Kolonien, die nach zwei Weltkriegen
mehr oder weniger sich selbst überlassen worden sind. Es gilt, dort
spürbare Entwicklungshilfe zu leisten, wo Menschen zu Zigtausenden
vor Durst und Hunger auf der Flucht sind.

Europa kann auch weiter wegschauen. Dann aber wird es in
absehbarer Zukunft von einem Strom armer Seelen überrannt, der nicht
mehr in Italien haltmacht. Es ist also besser, nachhaltig zu helfen.
Wenn nicht aus Nächstenliebe, dann aus Selbstschutz.

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