Südwest Presse: Kommentar zu „Merkozy“

Seit Beginn der Eurokrise ist der Ruf nach
europäischer Führung immer lauter geworden. Stets ging er einher mit
Kritik an der Funktionsfähigkeit der Achse Berlin-Paris. In Cannes
aber haben Merkel und Sarkozy gezeigt, dass ihr gemischtes Doppel
über einen knallharten Aufschlag verfügt. Ob „Merkozy“ den Kollaps
der Einheitswährung vor Augen hatten oder ob ihnen schlicht die
Hutschnur riss, bleibt dahingestellt. Jedenfalls sind sie über Nacht
in die Rolle eines Zuchtmeisters geschlüpft, der undisziplinierte
Euroland-Bewohner notfalls mit der Peitsche auf Linie trimmt. Von
Giorgos Papandreou weiß man, dass ihn „Merkozys“ Beichtstuhlverfahren
in ein Häuflein Elend verwandelte. Auf den Knien leistete er nach der
dreistündigen „Aussprache“ mit dem Duo Abbitte für seine unbotmäßige
Referendums-Initiative. Der nächste, den sich „Merkozy“ vorknöpften,
war Silvio Berlusconi. Der sonst so großspurige Italiener war bereits
nach 30 Minuten fix und fertig. Bleich trotz dreischichtiger Schminke
bekannte er öffentlich, dass er wegen seiner schlechten Noten beim
Schuldenabbau dringend internationale Nachhilfe sowie Aufsicht
benötige. Dass der neue Ton längst nicht allen gefällt, war zu
erwarten. Von einem Diktat sprechen Kritiker, ja von einem Kreuzung
aus TGV und Panzer, der Griechen und Italiener glatt überfahren habe.
Nur über mangelnde Führung klagt niemand mehr.

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Lothar Tolks
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