Auf deutschen Straßen hat sich in den vergangenen
Tagen Antisemitismus ausgetobt, wie man es nicht für möglich gehalten
hätte. Im Internet ist das leider Alltag – widerwärtig und
menschenverachtend. Aber der Rassismus ist hemmungsloser und
aggressiver geworden. Dass dagegen eine breite Front der Demokraten
steht, gehört zum Selbstverständnis dieser Republik. Umso
dramatischer ist es, dass es einer im Bundestag vertretenen Partei
nicht gelingt, eine eindeutige und für jedermann erkennbare
Trennlinie zum Antisemitismus zu ziehen. Seit Tagen wird in der
Linken so heftig wie lange nicht mehr darüber, über die deutsche
Verantwortung für den jüdischen Staat und die aktuellen
israelisch-palästinensischen Auseinandersetzungen diskutiert.
Ausgelöst wurde diese Debatte von einem Aufruf der NRW-Linken zu
einer Demonstration am vorigen Freitag in Essen, dessen Tenor
eindeutig war: Es geht gegen Israel. Was darauf zu sagen ist, wird
gesagt: Die Bundesspitze der Linken muss den Umgang mit Israel erneut
thematisieren. Der NRW-Landesverband sollte klar Stellung beziehen;
„da gab es in der Vergangenheit zu viele Fragezeichen“. Der Aufruf
der Linksjugend in NRW „war an Einseitigkeit kaum zu überbieten. Die
Verantwortung der Hamas wurde komplett ausgeblendet.“ Und: „Mit
diesem Aufruf hat man auch rechtsextremes und antisemitisches
Publikum angelockt.“ Diese kurze prägnante Analyse des
Demonstrationsaufrufs der NRW-Linken stammt nicht vom Zentralrat der
Juden, nicht vom politischen Gegner oder einem missliebigen
Journalisten. Die thüringische Landtagsabgeordnete der Linken,
Katharina König, hat sich so geäußert. Sie ist Sprecherin ihrer
Fraktion für Antifaschismus. Gestern verschickten neun
NRW-Abgeordnete – unter ihnen Sahra Wagenknecht, Andrej Hunko und
Ulla Jelpke – eine Mail, in der sie sich über die innerparteiliche
Kritik beschwerten, ausdrücklich vom „Erfolg der NRW-Genossinnen und
-Genossen“ sprachen und eine der „größten Veranstaltungen, die von
der Linken in NRW seit langem durchgeführt worden sind“, rühmten. Zum
Inhalt der Kritik verlieren sie kein Wort. Politische Parteien,
Friedensgruppen und -initiativen, die wegen der schlimmen Gewalt
zwischen Israel und den Palästinensern zu Demonstrationen aufrufen,
müssen genau darauf achten, wer sich bei ihnen einreiht und unter
welchen Parolen und Transparenten ihre Proteste ablaufen. Wer sich –
ob gewollt oder ungewollt – mit Rechtsextremisten, Neonazis, mit
fundamentalistischen Islamisten oder Antisemiten einlässt,
diskreditiert sein Anliegen und verspielt jeden Anspruch auf
Verständnis. Journalisten und Politiker verschiedener Parteien haben
in diesen Tagen die Aussage der Bundeskanzlerin zitiert, das
Existenzrecht Israels gehöre zur bundesrepublikanischen Staatsräson.
Jeder, der hier lebt, der – egal woher – nach Deutschland kommt, hier
bleibt und dazugehören möchte, hat das zu akzeptieren.
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