Das Europaparlament lässt wieder einmal die
Muskeln spielen: Eine Mehrheit der Abgeordneten würde gerne den
angeblichen „Wanderzirkus“ nach Straßburg beenden und ausschließlich
in Brüssel tagen. Mit schöner Regelmäßigkeit kommt dieser Vorstoß
einmal im Jahr – und mit schöner Regelmäßigkeit wird er von der
Regierung in Paris abgeblockt. Nur wenn alle EU-Mitgliedsstaaten
zustimmen, kann die Sitzfrage neu geklärt werden. Frankreich stemmte
sich in der Vergangenheit mit aller Macht gegen das Aus für Straßburg
– und dabei wird es auch in Zukunft bleiben. Straßburg ist zum Symbol
der europäischen Aussöhnung geworden. Mit einem teuren Neubau wollte
Paris die EU-Abgeordneten für die Unannehmlichkeiten entschädigen,
die die Anreise von Brüssel mit sich bringt. Die Parlamentarier
sollten sich freuen, dass Europa eben nicht zentral, sondern föderal
strukturiert ist. Brüssel, Straßburg und Luxemburg sind die
gleichberechtigten Machtzentren der Europäischen Union. Die
Bequemlichkeit ist ein schlechter Ratgeber, wenn es um historische
Grundsatzfragen geht. Dann wäre es beispielsweise für die Vertreter
der Bundesregierung auch bequemer, wenn das Bundesverfassungsgericht
seinen Sitz nicht in Karlsruhe, sondern in Berlin oder zumindest im
hauptstadtnahen Potsdam hätte. Die EU-Abgeordneten loten die
zusätzlichen Möglichkeiten aus, die ihnen der Vertrag von Lissabon
gibt. Nur sollten sie dabei nicht über das Ziel hinausschießen.
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