BERLINER MORGENPOST: Der BER braucht einen Neustart / Leitartikel von Joachim Fahrun

Crash ist gar kein Ausdruck. Das Projekt
Großflughafen ist gegen die Wand gefahren. Zuschaufeln, in eine
Kartbahn umbauen, Neuanfang in Sperenberg: All diesen Vorschlägen
möchte der seit Monaten BER-gepeinigte Berliner Bürger im ersten
Affekt nur zu gerne zustimmen. Leider ist das Ganze kein Spaß. Obwohl
es wohl keinem Kabarettisten eingefallen wäre, dass auch noch 1000
Bäume am BER falsch gepflanzt wurden, die jetzt gefällt werden
müssen. In Schönefeld sind mehr als vier Milliarden Euro öffentliches
Geld verbaut. Es muss jetzt darum gehen, diese Vorleistung für die
Stadt zu retten. „Grauenhaft“ nennt der Technikchef Horst Amann die
Schwierigkeiten mit der Gebäudetechnik, ein Umbau sei wohl
unausweichlich, hat der Experte nach einem halben Jahr Wühlen im
Kabelwirrwarr festgestellt. Für die Gesellschafter muss es jetzt
darum gehen, die Chancen des Scheiterns zu ergreifen. Der BER braucht
einen Neustart. Deshalb muss zwingend der alte Flughafenchef Rainer
Schwarz weg. Wer den Murks seit Jahren verantwortet, kann keinen
frischen Blick auf neue Notwendigkeiten mitbringen. Ob der neue
Aufsichtsratschef Matthias Platzeck, der bisher als Vize des Gremiums
den Pannenkurs begleitete, das leisten kann, muss sich noch erweisen.
Klaus Wowereit hat die Pflicht, den Weg für den Neuanfang zu öffnen.
Dass nun vier Bauexperten in den Aufsichtsrat einziehen sollen, ist
ein erster Schritt, den die Koalitionäre von CDU und SPD Wowereit
abtrotzten. Die neuen sollten sich Zeit nehmen. Niemand darf mehr
vorschnell einen Eröffnungstermin nennen. Es war der politische
Kardinalfehler, mehrfach ungesicherte Prognosen abgegeben zu haben.
So wurde deutlich, dass Geschäftsführung und Aufsichtsrat keinen Plan
hatten, was auf der Baustelle vor sich ging. Solange nicht alle
sensiblen Anlagen zum Brandschutz oder der Computerkühlung stabil
laufen, kann niemand einen Eröffnungstermin garantieren. Das wäre von
Anfang an die einzig seriöse Aussage gewesen. Nun müssen die neuen
Planer auch die übrigen Macken des Projekts beheben. So sollte man
den Tunnel vom Terminal zu den geplanten Erweiterungsbauten jenseits
des Rollfeldes lieber jetzt graben, anstatt ihn später unter
rollenden Jets hindurch bohren zu müssen. Die fehlenden
Check-in-Schalter und Gepäckbänder müssen jetzt hinzugefügt werden,
solange die Eröffnung auf sich warten lässt. Wenn ohnehin umgebaut
wird, sollte man jetzt das Parkhaus direkt an den Gates in eine
Erweiterungsfläche für die Passagierabfertigung oder gleich in ein
eigenes Terminal umgestalten. Womöglich schadet es nicht, das
Rollfeld zu erweitern, weil die Zahl der Flugzeugabstellplätze
ebenfalls knapp bemessen ist. All das wird zusätzliches Geld kosten,
womöglich Milliarden, die die Steuerzahler aufbringen müssen. Das zu
sagen ist nicht angenehm. Aber Ehrlichkeit ist jetzt geboten. Die
Kosten des BER herunterzurechnen und den Menschen zu suggerieren, sie
bekämen einen First-Class-Flughafen halb so teuer und doppelt so
schnell wie anderswo, war die Wurzel allen Übels in Schönefeld.

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