Welch ein Scherbenhaufen. Innerhalb eines Jahres
hat die FDP fast alles Vertrauen verspielt, das ihnen die Wähler
geschenkt hatten. Um rund zehn Prozentpunkte sind die Liberalen in
ihrem ersten Regierungsjahr abgestürzt. Wie ein Menetekel türmt sich
vor ihnen die Fünf-Prozent-Hürde auf, die zu reißen alle
parlamentarischen Hoffnungen begraben würde. Dazu ein
Parteivorsitzender, der derzeit in der Popularitätsskala ganz unten
steht. Der für die Liberalen nichts mehr reißt, sondern zum Klotz am
Bein geworden ist. Guido Westerwelle, der sich schon vor Jahren mit
seinem „Guido Mobil“ und der „18“ unter der Schuhsohle der
Lächerlichkeit anheimgegeben hatte, hat sich auch in
Regierungsverantwortung als gefährliches Leichtgewicht entpuppt. Er
hat, das stimmt, im September letzten Jahres das Rekordergebnis für
die Liberalen eingefahren. Das allerdings war weniger der eigenen
Leistung als dem Frust über CDU und CSU geschuldet. Im Rekordtempo
hat er diesen Vertrauensvorschuss der Wähler verspielt. Dazu auch die
eigene Glaubwürdigkeit. Außenminister in Deutschland – egal aus
welcher Partei – waren für sich selbst und ihre Partei immer ein
Pfund, mit dem zu wuchern war. Westerwelle ist der erste, der das
nicht kann. Er ist Opfer der eigenen flotten Sprüche. Mit einer
„geistig moralische Wende“ wollte er im Übermut des 18. September
2009 die Deutschen beglücken. Auch mit mehr Netto vom Brutto und
größerer Selbstverantwortung des Einzelnen. Nichts davon ist
eingetreten. Kapitän auf dem Schiff unter schwarz-gelber Flagge
wollte er sein, weil halt einer alles regeln müsse. Dass er das
wirklich kann, wird an der Parteibasis schon länger bezweifelt. Nun
mehren sich die sehr kritischen Stimmen auch aus Kreisen der
liberalen Führungsebene. Sie brechen ihr lange unterdrücktes
Schweigen, seit Westerwelle selbst die Vertrauensaffäre um seinen
Büroleiter im Zusammenhang mit Wikileaks und dem US-Botschafter in
Berlin stümperhaft zu bagatellisieren versuchte. Doch Leichtmatrose
statt Kapitän. Den Schneid werdet ihr mir nicht abkaufen, rief er im
März beim Parteitag in Siegen Journalisten vor der Wahlniederlage in
Nordrhein-Westfalen zu. Wer so arrogant wie Westerwelle startet und
dann einen Fehler nach dem anderen macht, der bringt sich selbst um
den Schneid. Nun zeigt er sich auch noch als außenpolitischer
Dilettant. Wer wie er gestern im Bundestag ohne Einschränkung
verkündet, 2014 wird es keine deutsche Kampftruppe mehr in
Afghanistan geben, der sollte Nachhilfe in Diplomatie und
Verhandlungstaktik nehmen. Weil er die Taliban einlädt, vier Jahre
abzuwarten, um dann mehr oder weniger kampflos die Macht im Lande
wieder zu übernehmen. Wozu war dann der Einsatz am Hindukusch
überhaupt gut? Deutschland braucht die Liberalen. Und die brauchen
einen Vorsitzenden, der Vertrauen gewinnt. Guido Westerwelle hat dies
verspielt. So total, dass Wiedergutmachung ausgeschlossen scheint.
Seine Kritiker in den eigenen Reihen versuchen zu Recht, den
liberalen Scherbenhaufen nicht noch höher werden zu lassen. Guido
Westerwelle sollte ihnen zuvorkommen. Und einsehen, dass aus ihm nie
ein Genscher, nicht einmal ein Kinkel wird.
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