BERLINER MORGENPOST: Endlich hat ein NPD-Verbot eine Chance – Leitartikel

Die Bedenken waren groß. Und sie waren berechtigt,
seit 2003 ein Verbotsverfahren gegen die NPD peinlich gescheitert
ist. Die Lage hat sich geändert. Endlich, ist hinzuzufügen. Mit der
Festnahme eines früheren NPD-Funktionärs wegen dessen mutmaßlicher
Zusammenarbeit mit der terroristischen Mörderbande aus dem
neonazistischen Untergrund verstärkt sich der bislang nur vermutbare,
aber nicht beweisbare Verdacht, dass es eben doch enge Verknüpfungen
zwischen der rechtsextremistischen Partei und der rechten Gewalt- und
Terrorszene gib. Wenn dem beweisbar so ist, rückt das letzte
Stündlein der Partei der Ewiggestrigen näher. Dieser Hoffnung gaben
gestern nach einer gemeinsamen Sitzung der Generalbundesanwalt und
der Chef des Bundeskriminalamts neue Nahrung. Beide zeigten sich
zuversichtlich, weitere Bande zwischen der NPD-Parteiebene und dem
rechten terroristischen Untergrund nachweisen zu können. Damit würde
ein wichtiges Hindernis für einen erneuten Antrag, die NPD zu
verbieten, abgeräumt. Denn für ein höchstrichterliches „Aus“ für die
braune Partei – das zugleich das überfällige Ende ihrer
Mitfinanzierung aus Steuergeldern in Form von
Wahlkampfkostenpauschalen bedeuten würde – reicht nicht allein der
Beleg der Verfassungsfeindlichkeit. Der Kampf gegen die Demokratie
muss nachweisbar auch aggressiv geführt werden. Der Beweis dafür
scheint jetzt gefunden. Dass ein anderes Hindernis, an dem vor acht
Jahren die erste Klage in Karlsruhe scheiterte, gar nicht so hoch ist
wie vielfach behauptet, hat der ehemalige Bundesverfassungsrichter
Winfried Hassemer klargestellt. Er und seine Kollegen hätten 2003
nicht etwa verlangt, alle V-Leute aus der NPD abzuziehen. Sie hätten
nur erklärt, dass ein faires Verbotsverfahren so lange nicht möglich
sei, wie Mittelsmänner der Sicherheitsbehörden in Führungspositionen
der rechtsextremistischen Partei säßen. Nach dem jämmerlichen
Versagen der Dienste samt dem Nachweis der Unbrauchbarkeit allzu
vieler V-Leute kann es kein größeres sicherheitspolitisches Problem
mehr sein, auch dieses Hindernis zu beseitigen. Ein erneutes Anrufen
des höchsten deutschen Gerichts, dem braunen – noch legalen –
parteipolitischen Spuk in Deutschland endlich ein Ende zu verordnen,
ist unausweichlich. Weil die Chancen diesmal viel besser stehen. Aber
auch in diesem Fall hat Gründlichkeit vor wohlfeiler Eile zu gehen.
Deshalb bleibt die weitere Aufklärung der noch immer schwer fassbaren
Mordserie, deren Hintergründe und eines möglichen noch weiter
gespannten rechten terroristischen Netzwerks so wichtig. Denn je
überzeugender der Verbotsantrag, desto sicherer das Ende der NPD. Bei
aller Wut und Empörung über die Blindheit der Dienste im konkreten
Fall sind Behauptungen ungerecht, die deutschen Sicherheitsbehörden
schauten generell weg, wenn Gefahr von rechts droht. Wäre es wirklich
so, wären in den vergangenen Jahren nicht immer wieder neonazistische
Kameradschaften, Bünde und Musikgruppen verboten worden. Und die
Behauptung, rechtes Gedankengut sei in der Mitte der Gesellschaft
hoffähig geworden, ist parteipolitische Polemik.

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