BERLINER MORGENPOST: Kommentar von Jochim Stoltenbergüber die Probleme der SPD im Bundestagswahlkampf

Sigmar Gabriel stellt ein Herzstück des
sozialdemokratischen Wahlversprechens infrage und beschert Peer
Steinbrück das nächste Desaster auf seinem Weg ins Kanzleramt, das
für ihn in immer weitere Ferne rückt.

Da kann die SPD noch so viel dementieren, interpretieren und drum
herumreden – nachdem sie Steuererhöhungen aus Gerechtigkeitsgründen
für unausweichlich erklärt hatte, ihr Vorsitzender davon nun aber
plötzlich abrückt, haben die Partei und ihr Kandidat das nächste
Glaubwürdigkeitsproblem. Gabriel ist bei der Fahndung nach einem
endlich zündenden Wahlkampfthema schon wieder in der Sackgasse
gelandet.

Statt wie erhofft einen Angriff zu starten, hat Gabriel die eigene
Wahlkampftruppe weiter geschwächt. Allen voran natürlich seinen Mann
an vorderster Front. Statt Attacke einmal mehr Selbstverteidigung.

Das Abrücken von einem zentralen Punkt der Wahlkampfagenda gut
vier Wochen vor der Bundestagswahl bestätigt das ganze Dilemma der
SPD. Miserable zementierte Umfragewerte, die Wunschkoalition Rot-Grün
fast unerreichbar, eine vom Wähler erzwungene Neuauflage der in der
Partei von oben bis unten verhassten großen Koalition vor Augen – das
alles steht für die um sich greifende Verzweiflung in der Partei.
Verzweiflung verleitet zu unberechenbaren Schritten, um dem Untergang
doch noch zu entrinnen.

Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de