Es würde einen lauten Aufschrei geben, und zwar zurecht.
Nun ist dies leider keine wirre Fantasie: mit solch gearteten Überschriften und Artikeln in diesem Duktus gehen Autoren auf einer überschätzten konservativ jüdischen Internetseite gegen messianische Juden los. Warum wir den Namen der Seite nicht nennen? Weil die Macher juristisch schwer fassbar irgendwo im Ausland sitzen, ein Leben mit viel Zeit zwischen Pseudointellektualität und obsessiver Streitlust führen, und weil ein Kampf gegen den dort ausgeschütteten Hass reine Zeitverschwendung wäre. Die abstoßende und nach deutschem Recht nicht statthafte Art andere zu entwürdigen, würde sich auch nach der Entfernung einiger Artikel nicht verändern. Jener Teil der diversen (i.s.V. Diversity) jüdischen Community in Deutschland, die nicht Teil der alteingesessenen Gemeinden ist, hätte nichts davon. Ihr würde nur noch mehr Hass entgegenschlagen.
Nun ist besagte Webseite ohnehin in Stil und Haltung ebenso merkwürdig wie dennoch bei manchen Lesern populär. Vielleicht aus Gewohnheit oder weil so Mancher vielleicht doch Freude daran hat, jüdisches Leben in Deutschland nur als endlosen Kampf zu erleben statt als bunte Normalität? Wer weiß? Natürlich ist auch manche Deutsche Mark und mancher Euro dieser Publikation bereits zugekommen. Aus deutschem Steuergeld, das auch die messianischen Juden bezahlen, die unseres Wissens nach selbst noch nie irgendeine Unterstützung in jeglicher Form aus öffentlichen Mitteln erhalten haben.
Wir wissen um die theologisch komplexen Fragen, die der Glaube der messianischen Minderheit aufwirft und verbieten in unserer Satzung ausdrücklich die messianische “Judenmission”, denn das ist die Krux an der Sache oder des Pudels Kern, ganz wie Sie wollen. Nicht die Existenz dieser Gläubigen an sich ist ein Problem. Es kamen ab 1990 sehr viele “messianische Juden” aus der ehemaligen Sowjetunion und stellen damit heute eine Realität in Deutschland dar. So ist es nicht unsere Aufgabe als Zentralrat der bunten Mehrheit, diesen Teil der jüdischen Gemeinschaft “umzuerziehen” – sondern ihre Würde und Glaubensfreiheit zu vertreten.
Dass die messianischen Juden in Israel rechtliche Probleme triggern, ist völlig unbestritten, da ihr Glaube sich dort nicht nur um Religion dreht, sondern eine staats-, völker- und individualrechtliche Bedeutung zur Folge hat. Dies ist in Deutschland, Österreich, der Schweiz und ganz Europa jedoch nicht der Fall – und Israel ist knapp vier Flugstunden weit weg.
In Deutschland gilt mit den Artikeln 1, 4 und 140 Grundgesetz eine maximale Glaubensfreiheit, nicht zuletzt als Lehre aus dem Hitler-Horror. Dies hat zur Folge, dass Polemiken der o.g. Art keine Meinung darstellen, sondern die Grenze zur Beleidigung, zu übler Nachrede oder, wie man heute sagt, “hate speech” klar überschreitet. Es werden in manchen Texten sogar diskriminierende Chiffren genutzt, die wir sonst nur von Antisemiten kennen. Dies ist erschütternd.
Solange keine ”Judenmission” stattfindet und messianische Juden einfach nur für sich selbst still und leise ihren Glauben leben, hat niemand das Recht, sie auch nur zu kritisieren. Suchen sie den öffentlichen Diskurs, kann man gesittet miteinander debattieren. Mithin gehören in Deutschland echte messianische Juden (keine verkleideten evangelikalen Christen) zur wunderbar bunten jüdischen Community, die sich in Deutschland entwickeln konnte.
Dafür sind wir dankbar und werden auch die Würde und Glaubensfreiheit unserer messianischen Mitglieder konsequent verteidigen. Das beste Mittel gegen Antisemitismus ist, zusammenzuhalten und als Jüdinnen und Juden selbstbewusst einen festen Platz in der Normalität Deutschlands einzunehmen. Mit Freude am eigenen Glauben, nicht mit dem Gefühl der ständigen Bedrohung als Hauptthema. Hass bekämpft man mit einem selbstbewussten Lächeln, nicht mit aufgeregten Tiraden, gegen wen auch immer.