Der Mensch 2.0: Wunschtraum oder Alptraum

Die alten utopischen Träume vom Neuen Menschen könnten sich in Zukunft realisieren lassen. Heute verfügt der homo sapiens ansatzweise über die technischen Fähigkeiten, sich selbst neu zu erfinden. Wohin führt der Weg?
In den aktuellen Visionen der „Transhumanisten“, der Technikenthusiasten, die eine Veränderung der menschlichen Spezies befürworten, ermöglichen die neuen Technologien die „Verbesserung“ des Menschen, womöglich sogar die Abschaffung des Todes. Manche Experten sind der Meinung, dass der Mensch dank Medizin, Technik und Zivilisation aus dem Reich der Evolution herausgetreten sei. Der britische Genetiker Jones schlussfolgert sogar, dass die Evolution des Menschen am Ende sei. Die Schlagkraft der Selektion als einer der Evolutionsfaktoren, habe beispielsweise in den letzten 300 Jahren um 80% nachgelassen. Daher habe die Krone der Schöpfung ihr Maximum (oder Optimum?) erreicht. Während sich der Mensch über Jahrtausende in freier Natur behaupten musste, lebt er heute in einer kulturell geprägten Umwelt, in der er sich primär sozial und nicht biologisch behaupten muss. Auch ethnische und soziale Barrieren sind in der heutigen Welt im Schwinden begriffen, was laut Jones zu einer langfristig einheitlicheren Spezies Mensch führen wird.

Wohin soll das führen?
Drei unterschiedliche Szenarien entwickelte Zukunftsforscher Steinmüller. Setzen sich die existierenden Trends mit massiven Migrationsbewegungen fort, werden wir frei nach Jones eine Globalisierung des menschlichen Genpools erleben, wobei u. a. der hellhäutige Typus nur noch eine Randerscheinung sein wird. Im zweiten Szenario muss der Mensch zukünftig verstärkt um sein Dasein kämpfen. Mögliche Folgen des Klimawandels, Hungerkatastrophen, neue Krisen und Krankheiten könnten eine erneute Selektion in Gang setzen. Das Überleben einiger weniger bevorteilter Menschengruppen würde einen gravierenden Einschnitt in der Evolution des Menschen bedeuten. Steinmüller fragt: „Als was für ein Wesen würde der Mensch aus seinem Krieg gegen die Natur und gegen sich selbst hervorgehen? Das dritte Szenario bezeichnet der Forscher als „Rekonstruktion auf Gattungsebene“ und meint damit das Wunschszenario der Transhumanisten: die Verbesserung des homo sapiens nach selbst definierten Kriterien. Viele Möglichkeiten sind denkbar. Die einen setzen Kinder nach eigenen Vorlieben in die Welt, andere optimieren ihre Organe oder sie passen sich auf ein Leben außerhalb oder unter der Erde an.
„Die Zukunft des homo sapiens scheint offen“, so Steinmüller. „Vieles in der Zukunft hängt von unseren heutigen ethischen Entscheidungen ab.
Auf lange Sicht aber, so unterstreicht Steinmüller, gelingt es nur sehr wenigen Gattungen die Zeit unverändert zu überdauern. Der Forscher sieht über Jahrtausende oder mehr die Möglichkeit einer Anpassung des Menschen an veränderte Bedingungen, wie auch immer diese beschaffen seien. Für möglich hält er auch die Ausbreitung im Kosmos, was eine divergente Evolution mit sich brächte: unterschiedliche Arten für unterschiedliche Welten. Sollten sich langfristig die Maximalvorstellungen der Künstlichen Intelligenz realisieren lassen, sei dies wohl sowieso das Ende der jetzigen Menschheit.