DER STANDARD – Kommentar: „Geld, Macht und Schlagzeilen“ von Eric Frey

Wenn man nach aktuellen Umfragen und alten
Erfahrungswerten geht, dann sollte Barack Obama am 6. November die
Wiederwahl als US-Präsident schaffen. Aber sein Herausforderer Mitt
Romney hat noch ein Ass in der Hand: fast unbegrenzte Geldmittel.
Erstmals seit Jahrzehnten können Millionäre und Großkonzerne in einem
Wahlkampf so viel spenden, wie sie wollen; dies hat der Oberste
Gerichtshof in einem umstrittenen Urteil ermöglicht. Und beim
Geldeinsammeln liegt Romney dank wirtschaftsfreundlicher Versprechen
und des Ärgers vieler Unternehmer über Obama weit voran. Wenn es
knapp wird, können hunderte TV-Spots von Romney-treuen Gruppen,
bezahlt meist von alten, reichen, weißen Männern wie dem Kasinomogul
Sheldon Adelson, in umkämpften Staaten wie Ohio und Florida den
Ausschlag geben.
Damit steht Amerika vor einer Grundsatzfrage: Kann man sich Wahlsiege
kaufen? Wenn ja, dann ist nicht nur die Demokratie am Ende. Dann wird
auch das amerikanische Wirtschaftsmodell weiter bröckeln. Die
Trennung von Geld und Macht ist die Grundlage des liberalen,
pluralistischen Gesellschaftsmodells. Schon bisher konnten sich
Lobbys zu viele Gesetze und Regeln selbst schreiben.
Bisher war trotz immer teurer Wahlkämpfe das Geld fast nie der
bestimmende Faktor am Wahltag. Oft siegten diejenigen mit weniger
Mitteln, und die Spenden der einen Branche wurden durch die
Zuwendungen der anderen – auch der Gewerkschaften – neutralisiert.
Die diesjährige Wahl ist daher ein Testfall, ob dieses System trotz
aller Unzulänglichkeiten noch passt oder ob die US-Höchstrichter
grünes Licht für eine gefährliche Unterwanderung der Demokratie
gegeben haben.
In Österreich sollte man diese Entwicklung besonders aufmerksam
verfolgen. Denn auch hier gibt es erstmals einen älteren Herrn, der
sich die Parlamentswahlen kaufen will oder zumindest den Eintritt in
den nächsten Nationalrat. Ob Frank Stronach dies gelingen wird, ist
fraglich. Denn anders als in den USA_gilt Reichtum hier als
unanständig. Jeden Euro, den der Milliardär aus seiner Tasche zieht,
schafft Widerwillen gerade bei den einfachen Leuten, die er mit
seinen Slogans ansprechen will.
Dennoch gibt das Phänomen Stronach Grund zur Sorge. Die Achillesferse
der heimischen Demokratie ist – trotz aller Aufregung über jüngste
Affären – nicht die Wahlkampffinanzierung, sondern der Boulevard, der
mit fragwürdigen Methoden die Entscheidungsfindung der Wähler
manipuliert. War Hans Dichand dabei noch ein Überzeugungstäter, so
hat die heutige Generation von Zeitungsmachern daraus ein
Geschäftsmodell entwickelt, wie auch eine aktuelle Studie der Uni
Innsbruck zeigt: Wer Inserate schaltet, erhält positive Schlagzeilen.
Die Schützenhilfe von Krone, Heute und Österreich, und nicht seine
inhaltsleeren Broschüren, verhelfen Stronach derzeit zu
Aufmerksamkeit und Popularität. Ob dahinter konkrete Geldflüsse oder
nur Hoffnungen auf solche stehen, ist unklar. Jedenfalls wäre ein
Wahlerfolg seiner neuen Partei ein Grund, an der Integrität der
heimischen Demokratie zu zweifeln.
Umso schlimmer ist es, dass SPÖ und ÖVP die Behandlung der
Inseratenaffäre rund um Werner Faymann im Untersuchungsausschuss zu
verhindern wissen. Natürlich will der Kanzler nicht am Pranger
stehen, aber das System, das er einst perfektioniert hat, gehört
dringend aufgearbeitet.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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