Frankfurter Rundschau: Kommentar zum Burkini-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Dass so viele Gruppen hierzulande derzeit darum
ringen, welchen Raum Religion und Weltanschauung in ihrem Leben haben
sollen und dürfen, zeigt erst einmal: Die Zeit ist zum Glück vorbei,
in der religiöse Autoritäten und ihre weltlichen Alliierten diktieren
konnten, was gelten soll. (…) Das schließt aber Fehlentwicklungen
nicht aus. Die Fälle, die jetzt zu Recht vor dem
Bundesverwaltungsgericht gescheitert sind, gehören dazu: Mädchen mit
Verweis auf die Religionsfreiheit vom gemeinsamen Schwimmunterricht
fernhalten zu wollen, heißt nämlich gerade, ihnen Freiheiten zu
nehmen. (…) Den Zeugen Jehovas, die ihren Sohn von Preußlers
„Krabat“ fernhalten wollten, weil der schwarze Magie enthalte,
hielten die Richter erfrischend klar entgegen, „religiöse
Tabuisierungsgebote“ seien fehl am Platz. Sie sind nicht vom
Grundgesetz geschützt. Das waren notwendige Klarstellungen, aber es
wird weitere brauchen. Viele offene Fragen bleiben: Zum Beispiel, wie
lange christlicher Religionsunterricht, obwohl längst nur noch ein
Angebot für Minderheiten, noch legitimiert werden kann. Und warum,
wenn Eltern ihre Töchter nicht aus religiösen Gründen vom
Schwimmunterricht fernhalten dürfen, sie ihre Söhne, wie es im
Judentum üblich ist, schon im Säuglingsalter beschneiden lassen
dürfen. Das sind Asymmetrien, die aufgelöst werden müssen.
Schmerzhafte Debatten stehen dem Land noch bevor.

Pressekontakt:
Frankfurter Rundschau
Kira Frenk
Telefon: 069/2199-3386